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Türkische und syrische Demonstranten in Istanbul verbrennen ein Konterfei von Präsident Bashar al-Assad. Nun haben sich auch die USA und die EU den Forderungen angeschlossen: Er muss gehen.

Foto: APA/EPA

Die syrische Opposition hatte Washington lange vergeblich bedrängt, am Donnerstag war es so weit: US-Präsident Obama rief Bashar al-Assad zum Rücktritt auf. Die EU und einzelne EU-Mitglieder schlossen sich an.

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Damaskus/Wien - Noch eine Woche hat es gedauert nach den ersten Hinweisen aus Washington, bis das von der syrischen Opposition lang erhoffte Wort doch noch kam: "Assad muss gehen." "Die Zukunft Syriens muss von seinem Volk bestimmt werden, aber Präsident Assad steht dem im Wege", sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag. Assads Rufe nach Dialog und Reform würden hohl klingen, wenn er gleichzeitig seine eigenen Leute inhaftieren, foltern und abschlachten würde.

Die USA verschärfen auch die Sanktionen gegen das Regime. Syrische Gelder werden eingefroren, das syrische Öl mit einem Embargo belegt, und US-Bürger dürfen nicht mehr in Syrien geschäftlich tätig sein. In Brüssel ging EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton den Schritt Obamas mit und forderte Assad im Namen der EU zum Rücktritt auf. London, Paris und Berlin veröffentlichten ein eigenes Statement: "Assad muss den Weg frei machen."

Der diplomatische Schritt - der die Zahl der arabischen Machthaber, die nach Willen der USA und ihrer europäischer Partner gehen müssen, auf drei bringt (mit Libyens Muammar al-Gaddafi und Jemens Ali Abdullah Saleh) - kommt in einem Moment, in dem Bashar al-Assad Kommunikationsbereitschaft signalisierte.

Sand in die Augen

Nach wochenlanger Verweigerung nahm er ein Telefongespräch mit Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon an, wobei er diesem versicherte, dass die Armeeoperation eingestellt sei. Dem widersprachen jedoch Berichte aus Syrien. Die schnelle Reaktion aus Washington und der EU zeigt, dass man sich keinen Sand in die Augen streuen lassen will - in dem Sinn hat Assads Versprechen die diplomatische Eskalation vielleicht noch beschleunigt.

Ob Assad die Dinge in Damaskus wirklich in der Hand hat - ob er in der Lage ist, seinem Bruder und Militärchef Maher al-Assad Befehle, die gegen dessen Willen gehen würden, zu erteilen, sei dahingestellt. Die vergangenen Statements Assads zeigen jedoch, dass er an das große Verschwörungsszenario glaubt, das sein Regime als letztes Bollwerk gegen eine sunnitisch-islamistische Machtübernahme sieht.

Insofern ist auch das Zusammenfallen des Terroranschlags in Südisrael, der von ägyptischem Territorium ausgegangen sein dürfte, und Obamas Rücktrittsaufforderung brisant. Lange Wochen und Monate hatten sich die Wortmeldungen der USA im Spektrum zwischen Reform- und Gewaltverzichtsaufrufen, Hinweisen auf Assads "verlorene Legitimität" und dem nichtssagenden "Syrien wäre ohne Assad ein besserer Ort" bewegt. Auch Washington bewegt die Sorge, dass sich in der syrischen Opposition Kräfte durchsetzen könnten, die nach einem Sturz Assads das Land ins Chaos stürzen würden. In Ägypten - wo die Revolutionsbewegung unter keinem derartigen Verdacht stand und die Armee stark und intakt ist (was sie nach einem Sturz Assads in Syrien nicht sein wird) - bedrohen jetzt solche Kräfte den Sinai und Israel jenseits der Grenze.

Aber Assad hat die rote Linie, die bei ihm wegen der regionalen Umstände kulanter gezogen war als bei anderen, selbst überschritten, indem er den im Ramadan zu erwartenden verstärkten Protesten so brutal begegnete. Das Wort "Assad muss gehen" können die USA nicht mehr zurücknehmen - und begeben sich damit selbst in eine Reise ins Ungewisse. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2011)