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Mal schnell eine Frau nehmen, zwischen Drogenrausch und Dosenbier: Donna Elvira (Dorothea Röschmann) lässt sich in Claus Guths Salzburger Inszenierung von "Don Giovanni" (Titelpartie: Gerald Finley) nichts mehr gefallen.

Foto: AP/Kerstin Joensson

 Psychologisch ist die Arbeit ebenso dicht wie jener Wald, in dem sie der Regisseur ansiedelt.

Salzburg - Mit einem goldenem Lorbeerkranz ist jenes "Große Verdienstzeichen des Landes Salzburg" geschmückt, das Claus Guth am Mittwoch erhielt. Dass sich der Regisseur auf dem Orden erst einmal ausruht und ordentlich handzahm oder angepasst wird - diese Gefahr besteht freilich nicht. Zumindest wenn es nach jenem Don Giovanni aus dem Jahr 2008 geht, den der Deutsche nun als Abschluss des kompletten Da-Ponte-Zyklus am Donnerstag erneut ins Haus für Mozart brachte.

An Drastik und Schlüssigkeit reicht derzeit kaum jemand anderer an Guths Arbeiten heran, die ebenso aufrütteln wollen wie altgediente Opern, als sie einmal jung waren. Diesen Anspruch setzen sie ebenso intelligent wie nahe an der Musik um.

Einen Schock setzt es gleich zu Beginn, wenn der mächtig auftrumpfende Commendatore (Franz-Josef Selig) den Protagonisten durch einen Schuss verletzt, nachdem Donna Anna eher freiwillig die Umarmungen des Schufts über sich ergehen ließ (Malin Byström gibt die Rolle eindringlich, sieht sich aber leider allzu oft zum Forcieren genötigt).

Genau hingehört

Das Libretto verrät zwar nichts davon, aber man kann es bei Mozart deutlich hören, dass es Don Juan schon hier mulmig wird. Es ist deshalb plausibel, dass damit das Sterben dieses reichen Mannes beginnt. Die äußere Hektik, die den Weiberhelden umtreibt, wird als dauernder Rauschzustand zwischen Testosteron, Dosenbier und Heroin gefasst, mit dem Erwin Schrott als Leporello seinem Herrn zu Diensten ist. Die spastischen Bewegungen dieses Drogenjunkies kollidieren freilich mit dem Buffonesken, das Schrott virtuos einbringt.

Die frei liegenden Psychostudien der handelnden Figuren sind ansonsten jedoch denkbar bestechend: In der düsteren Drehbühnen-Waldlandschaft von Ausstatter Christian Schmidt ist jeder Mensch dem anderen ein Wolf und jeder ständig in Gefahr. Gerald Finley ist als ruheloser Don Giovanni nochmals über sich hinausgewachsen, seit er die Partie die letzten Male gesungen hat, gibt die Figur beklemmend verletzlich und mit betörender Innigkeit.

Adam Plachetka bietet diesem Duo infernale als Masetto durchaus auch stimmlich die Stirn, ebenso wie die leichtfüßige, aber bestimmte Zerlina von Christiane Karg. Währenddessen wird die Donna Elvira von Dorothea Röschmann zur zentralen tragischen Figur der Inszenierung, wenn sie mit ihrer reifen Stimme eine Rollenstudie von verzweifelter Dramatik bietet.

Geballte Dramatik war offenbar auch das Ziel von Dirigent Yannick Nézet-Séguin, der einen interessanten Kompromiss zwischen widerstreitenden Interpretationsansätzen, zwischen klanglicher Rundung und Schärfe zu verfolgen schien. Mit den Wiener Philharmonikern verleugnete er nicht ganz jene Traditionen, wie sie Böhm oder Karajan pflegten.

Zugleich darf man vermuten, dass er auch bei Harnoncourt aufmerksam zugehört hat: Nézet-Séguin lässt breit und füllig musizieren, trachtet aber auch danach, exponierte Einzelstimmen freizulegen und markante Akzente zu setzen. Freilich fehlt zuweilen die letzte Koordination mit der Bühne (etwa mit dem kultivierten Don Ottavio von Joel Prieto).

Und so markant der Jungstar Tempi setzt und Gestik wählt, so sehr geht er leider über viele unerhörte Übergänge bei Mozart routiniert hinweg. Da hat, scheint es, der Regisseur doch noch um einiges genauer hingehört. (Daniel Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 20./21. August 2011)