Als Kind hat er sich gewundert, warum seine Mama als Hausbesorgerin so viel arbeiten muss und trotzdem nur so wenig Geld hat, sagt Sascha Obrecht. Heute ist er scharfer Systemkritiker, ein bekennender Antikapitalist - und Parteimitglied in der SPÖ. In der Sozialistischen Jugend (SJ) ist er stellvertretender Landesvorsitzender von Wien und leitet die Gruppe in seinem Heimatbezirk Favoriten.
Trotz Parteibuchs gehören für ihn als gestandenen SJler gewisse Vorbehalte gegenüber der SPÖ zur Attitüde: "Ich würde die Beziehung als kritisches Naheverhältnis bezeichnen", sagt Sascha. Das Programm des eigenständigen Vereins der Sozialistischen Jugend ähnle zwar dem der SPÖ, der Umgang damit und das Verhalten sei jedoch ein anderes.
Neben seinem Vollzeitjob im Landesbüro der SJ und im Sekretariat der SPÖ Bezirksorganisation Favoriten spielt Sascha E-Gitarre in einer Rockband und studiert Jus. Ob er sich trotzdem eine Parteikarriere vorstellen könnte? "Ich halte es für einen feigen Ansatz, alles zu kritisieren und dann keine Verantwortung übernehmen zu wollen", sagt er. Mit seinen 20 Jahren könne und wolle er sich jedoch noch nicht festlegen.
Als SJ-Mitglied hätte er es aber ohnehin schwerer, in der SPÖ Erfolg zu haben. Denn auch, wenn man versuche, das Meiste intern zu klären, sei es "schon eine schwierige Ausgangssituation, wenn man bereits die Parteizentrale besetzt hat". Beim Erzählen streicht er sich immer wieder lange Haarsträhnen aus dem Gesicht, er ist ruhig, doch bestimmt in seinen Ansagen: "Der Kapitalismus basiert auf Ungleichheit. Es gab einen Aufschwung unter Kreisky, aber gerade in der Krise leiden die Menschen unter den Fehlern des Systems", sagt er.
Die SPÖ hätte darauf zwar die richtigen Antworten, würde die rote Karte aber zu selten ausspielen. Ehemalige SJ-Mitglieder wie Bundeskanzler Werner Faymann oder Klubobmann Josef Cap hätten zwar die Grundsätze verinnerlicht, würden aber in der Tagespolitik darauf vergessen. Noch dazu dränge der Koalitionspartner ÖVP in eine Ohnmachtsposition. "Kein linksdenkender Mensch würde das SPÖ-Programm schlecht finden, es wird nur nicht richtig umgesetzt", sagt Sascha Obrecht. Durch das langjährige Bestehen im Politikgeschäft träge zu werden lässt er dabei als Ausrede nicht gelten: "Die Jugend ist keine Frage des Alters."
Und trotzdem hält er es für wichtig, dass mehr Jungpolitiker politische Funktionen übernehmen. Der Grund ist so banal wie plausibel: "Junge Leute gehören in die Politik, weil junge Leute in unserer Gesellschaft leben. Sie gehören demokratisch repräsentiert." Die "Fehlbesetzung" des 24-jährigen ÖVP-Staatssekretärs Sebastian Kurz würde er für ein positives Signal halten, hätte Kurz die nötigen Kompetenzen. "Erfahrung und Jugend ergänzen sich bestens. Die Streitigkeit zwischen diesen zwei Polen ist nur förderlich."
Zur SJ ist Sascha Obrecht gekommen, nachdem er schon im Gymnasium politisch aktiv war. Damals musste er entscheiden, ob er der SPÖ-nahen "Aktion kritischer Schüler" oder der schwarzen Schülerunion beitreten will. Letztendlich fiel es ihm nicht schwer: "Ich war schon damals Bauch-links", sagt er. (Katharina Mittelstaedt, STANDARD-Printausgabe, 20./21.8.2011)