Im besten aller Fälle sind Werte in Unternehmen handlungsanweisend. Heißt so viel wie: Korreliert das Bild des Unternehmens mit jenem der dort gelebten Werte, ergeben sich daraus jene Entscheidungen, die zum Erfolg führen - und zwar quer durch die gesamte Organisation. Was aber, wenn dieser Fall nicht eintritt - was messen, wohin schauen?

Klar sei, sagt der systemische Organisationsberater Herbert Schober-Ehmer (Redmont), dass die Annahme, man könne "Dinge" wie eine Kultur oder Werte messen, eine Illusion ist. Man könne aber sehr wohl jene Handlungen, die sich aus bestimmten Haltungen oder Werten ableiten, gut beobachten - und die dahinterliegenden Werte hinterfragen. So könne man zum Beispiel der Frage nachgehen, warum etwa das Ergebnis im Vertrieb nicht stimmt - die Entscheidungen, die dazu führten, bis hin zum entsprechenden Wert zurückverfolgen.

Was also Schober-Ehmer mit der "wertebasierten Beratung" bezweckt, ist der "reflektierte Blick auf Entscheidungsprämissen und die darunterliegenden Grundwerte". Zwei Argumente sprechen dafür: Zum einen, so Schober-Ehmer, koste die kurzfristige Shareholder-Value-Orientierung den Unternehmen viel Geld, weil sich bei einer rein rationalen Zahlenlogik bekanntermaßen viele Mitarbeiter absentieren. Zum anderen kristallisieren sich - sinngemäß - über klare Werte die passenden Optionen für eine Navigation in hochkomplexen Situationen, so Schober-Ehmer weiter. Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn sie über Zahlen hinaus auch Sinn vermitteln können, sagt er. Dass eine werteorientierte Steuerung auch Wirkung auf Struktur und Prozesse in Organisationen haben könne, sei an dieser Stelle vorausgesetzt.

"So tun, als ob" zählt auch

Was aber, wenn der Unternehmenswert nur argumentatives Feigenblatt ist? Es gibt kein Unternehmen, das keine Werte hat, sagt Schober-Ehmer. "Unternehmen müssen immer auch so tun, als ob", sagt er, "das gehört immer dazu." Denn selbst so zu tun, als ob man Werte habe, sei ein Wert an sich. Weil man damit automatisch auch einem nicht vorhandenen Wert Wert zuschreibe. Klingt verdreht, folgt aber einer stringenten Logik. Es gebe aber einen Aspekt, der immer wieder bei vielen Managern auftauche: das schlechte Gewissen, das ebenso als Motor für Veränderung Wegbereiter sein kann. Der Wunsch nach sinnvollem und gutem Tun. (Heidi Aichinger/DER STANDARD; Printausgabe, 20./21.8.2011)