"Hängt ihn höher" heißt ein Western mit Clint Eastwood - und auch in Großbritannien scheint derzeit ein gewisser Hang zu Rachegelüsten zu herrschen. Anders ist es wohl kaum zu erklären, dass die Richter aus dem juristisch Vollen schöpfen und für Randalierer, Diebe und Plünderer deutlich härtere Strafen verhängen, als es dem langjährigen Schnitt entspricht.

Man darf nicht blauäugig sein: Die Tumulte vor knapp zwei Wochen waren nicht einfach ein Protest nach dem Tod eines 29-Jährigen, der von der Polizei erschossen wurde. Es war auch das Werk der durchaus vorhandenen Jugendbanden: Häuserzeilen anzuzünden und sich mit Handys und Juwelen aus zerstörten Geschäften einzudecken ist nicht die feine englische Art. Menschenleben wurden gefährdet, wirtschaftliche Existenzen womöglich ruiniert.

Wenn dann noch die Regierung harte Maßnahmen fordert, fühlt sich die unabhängige Justiz wohl deutlich motivierter, das Strafausmaß an der oberen Grenze anzusiedeln. Allerdings: Bei den Prozessen geht es zum Teil um ein paar Flaschen gestohlenes Mineralwasser - oder um Aufrufe zu Krawallen im Internet, vier Jahre Haft gibt es dafür, obwohl auf die Aufrufe hin überhaupt nichts passiert ist.

Vor allem aber scheint zumindest der konservative Premierminister David Cameron zu vergessen, nach den Hintergründen zu fragen. Denn auch die Mitglieder der Jugendgangs wohnen in jenen Vierteln, die zu den ärmsten zehn Prozent Großbritanniens gehören.

Der immer wieder gebrauchte Verweis auf den Migrationshintergrund der Beschuldigten nervt dabei: Die italienische Mafia wird von Inländern beherrscht; kriminelle Energie hängt also weniger mit der Herkunft zusammen als mit der Chance, zu Geld zu kommen. Bessere Ausbildung und Bekämpfung des strukturellen Rassismus sind da die einzige Lösung, das auf legalem Weg zu ermöglichen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.8.2011)