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Bobbio schrieb Standardwerk zum Thema.

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Im Jahr 1994 brachte der italophile Berliner Wagenbach Verlag ein kleines Buch eines großen Denkers heraus: "Rechts und Links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung" von dem Turiner Politikwissenschafter und Philosophen Norberto Bobbio (1909-2004) kann man bis heute als ein Standardwerk zum Thema betrachten.

Es geht von der Anfechtung der Unterscheidung aus, die nicht zuletzt darin bestand, dass das Links-Rechts-Schema nach Meinung vieler die Realitäten der zunehmend komplexeren Gesellschaften nicht mehr zu erfassen vermochte. Dem hielt Bobbio entgegen, dass ein guter Teil des menschlichen Wissens entlang großer Unterscheidungspaare organisiert ist. Auch Links bzw. Rechts zählt zu diesen "großen Dichotomien", und an die Sinnhaftigkeit der Links-Rechts-Dyade machte er sich in seinem Buch. Er setzte sich mit der Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit auseinander, von der Bobbio letztlich doch die wesentlichen Unterschiede in der Dyade herleitet: Rechte Politik orientiert sich an Tradition und Hierarchie, linke Politik an Gerechtigkeit und Gleichheit. Linke Politik zielt auf eine "horizontale und egalitäre Vision" von Gesellschaft. Dabei kommt es aber sehr auf einen Unterschied zwischen "natürlicher und sozialer Ungleichheit" an, wodurch eine weitere Facette der Dichotomien erkennbar wird: Links und Rechts stehen jeweils anders akzentuiert Natur und Geschichte gegenüber. Beide Lager entwickeln dabei ständig eine Tendenz zu Extremismen, die sich häufig treffen: Sie sind antidemokratisch, weil sie ihren Standpunkt absolut setzen. Wegen der schlechten Erfahrungen mit den Radikalpositionen tendierten zuletzt fast alle Kräfte zur Mitte. Bobbio beharrte aber auf der Erkenntniskraft der Unterscheidungen. (reb, STANDARD-Printausgabe, 20./21.8.2011)