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Die britische Regierung will mit aller Härte gegen die Unruhestifter vorgehen.

Foto: EPA/KERIM OKTEN

Nach den Riots in mehreren englischen Städten vor zwei Wochen jagt in Großbritannien eine Zusatz- Bestrafungssidee die nächste. Neue, strenge Gesetze sollen einen eisernen Deckel über den sozialen Sprengstoff im europäischen Vorzeigeland des Neoliberalismus stülpen, zumindest, wenn es nach dem Willen der (mit)regierenden britischen Konservativen geht.

Die Liste der Neuerungspläne ist beachtlich. Die Polizei soll die Befugnis erhalten, Ausgangssperren auszusprechen: eine Maßnahme, wie man sie sonst aus Staaten kennt, in denen akute Bürgerkriegsgefahr herrscht.

Wer einer Gang angehört, soll Orte, die als Riot gefährdet gelten, gar nicht mehr betreten dürfen. Er (oder sie) soll von den Behörden zu „sozialen Rehabilitationsmaßnahmen" verpflichtet werden können. Wer Zerstörungen angerichtet hat, soll die Schäden mitbeseitigen - und dabei eine auffällige, orangefarbene Uniform tragen: Wiedergutmachung mit Prangercharakter.

Social-Media-Verbote

Er oder sie soll, so er in einer Sozialwohnung lebt, aus dieser wieder ausziehen müssen. Und, bereits vieldiskutiert: Es wird rechtlich überprüft, ob man Verdächtigen den Zugang zu sozialen Medien versperren kann. Iran, oder auch Tunesien vor dem Umsturz, lassen grüßen.

Zwar müssen die angedachten Härten erst noch umgesetzt werden. In einem Land mit verbrieften, hohen Grundrechtsstandards wie Großbritannien dürfte das auf einigen Widerstand stoßen. Das meint etwa auch der Anwalt und Mitarbeiter des österreichischen Menschenrechtsbeirats, Georg Bürstmayr. Vor allem den polizeilichen Ausgangssperren und dem Social Media-Verbot gibt er nur wenig Einführungschancen.

Mehrheit für Härten

Doch die Härte-Ankündigungspolitik der britischen Konservativen, die bei der emotional aufgeheizten englischen Bevölkerung zur Zeit sehr gut ankommt, birgt auch grenzüberschreitende Risiken. Für PolitikerInnen in anderen Staaten (vor allem rechtskonservative) setzt sie Standards, wie im Fall von Ausschreitungen mit Repression reagiert werden kann, statt die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern und so dafür zu sorgen, dass Wut und Gewaltbereitschaft sinken.

Die Stimmung, Gesetzesverschärfungen zu befürworten, ist in der Mehrheitsbevölkerung vieler europäischer Staaten latent vorhanden. So etwa auch in Österreich, wo die soziale Lage - Exportwirtschaftserfolg sei Dank - zur Zeit weniger zugespitzt ist. Der Sicherheitsgedanke jedoch genießt hierzulande einen besonders hohen Stellenwert - und Normalbürger fragen viel zu wenig nach, welche grundrechtlichen Kollateralschäden durch Gesetzesverschärfungspläne drohen.

Aus der Schublade

Zuletzt etwa vor einem Monat, als ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Anschläge Anders Behring Breiviks in Norwegen zum Anlass nahm, um mehr Überwachung Einzelner im Internet zu fordern. Die Stimmen der MäßigerInnen sind ziemlich leise, hier wie dort. (Irene Brickner, derStandard.at, 20.8.2011)