Geschwommen ist sie so richtig beim Wasser. Der Treibstoff des Lebens wird in Wien um 33 Prozent verteuert - der Grünen-Chefin war das beim ORF-Sommergespräch keinen Protest wert. So als handle es sich um Benzin, das den Grünen auch nicht teuer genug sein kann. Aber den Durst der Radfahrer mit durch exorbitant Gebühren belastetem Wasser stillen zu wollen, das geht zu weit.

Die eine Interpretation für das Stillhalten der Grünen lieferte Eva Glawischnig höchstselbst. Man müsse über die Gebühren eine Art neuer Sozialpolitik finanzieren, zum Beispiel eine "Grundsicherung" für Kinder. Verstehe das, wer kann. Plausibel war's nicht.

Die andere Interpretation konnte man bereits am Beginn der Wiener Koalition anstellen: Michael Häupl umarmt Maria Vassilakou und erdrückt sie. Was strategisch nicht sehr gescheit ist, weil die meisten grünen Wähler nicht mehr an die Urnen gehen würden. Vom Rückgang der einen würden die anderen profitieren:die Blauen. Schon bei den nächsten Bundeswahlen.

Genau das aber könnte geschehen, weil Glawischnig bei diesem Sommergespräch Österreich faktisch verlassen hat. Sie will das Waldviertler Holzspielzeug mit dem "ökologischen Fußabdruck" billiger machen - gegenüber chinesischem Plastik. Sie will eine Wende in der Verkehrspolitik - vom Öl zum Elektroantrieb und zur Aufforstung der Landschaft mit Windrädern. Auch ein europäisches Projekt.

Die Grünen-Chefin präsentierte sich als glühende Europäerin, die in Österreich gar nichts mehr werden will. Was man verstehen kann, angesichts der Verschiebung der politischen Gewichte nach Brüssel und angesichts des Schneckentempos in Wien.

Die Gesprächspartnerin von Ingrid Thurnher ist den Publikumsfragen nicht ausgewichen, war schlagfertig im Detail ("Meine Großmutter hat immer ein Kopftuch getragen") und ehrlich in Bezug auf ihre eigene Lebensführung. Dazu kam: Die ORF-Journalistin fragte zeitweise wie eine Pressereferentin von Heinz-Christian Strache und unterstellte Glawischnig unverhohlen kommunistische Positionen.

Die grüne Spitzenfrau hat nicht zurückgeschlagen und ihre Lockerheit bewahrt. Sie hat nicht den Mephisto gespielt, den Strache beim nächsten Sommergespräch wieder geben wird.

Aber keinen Punkteplan für die österreichische Zukunft vorgestellt zu haben ist ein schweres Versäumnis. Die Regie der heurigen Sommergespräche erschwert das zweifellos. Wenn sie gewollt hätte, wäre es ihr trotzdem gelungen.

Denn genau das ist ein Manko der Koalitionsparteien. Sie schwimmen im europäischen Teich und halten sich dabei passabel über Wasser. Sie überstehen Gewitter und kleine Stürme. Dann hissen sie die Flagge, während andere im Untergehen sind.

Wie sie das österreichische Boot umbauen möchten, was dabei die Baustoffe der Zukunft und die Instrumente der Selbstbehauptung bei rauem Wetter sein könnten, darüber schweigen sie sich aus. Glawischnig ebenfalls. Sie flieht nach Europa. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.8.2011)