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Seiltänzer Freddy Nock balancierte die Zugspitz-Bahn hinauf.

Foto: Joerg Koch/dapd

Freddy Nock (46) kennt die Angst gut: Er fürchtet sich schrecklich im Flugzeug, oder wenn er im Meer schwimmt, weil er Panik vor Haien hat. Wenn er aber ein Seilbahnseil ohne Sicherung hochläuft, 150 Meter über dem Boden, bei Windböen von 60 Kilometern pro Stunde, fürchtet er sich nicht. "Das wäre lächerlich", sagt er dem Standard. "Man muss Freude haben an dem Job - sonst geht es nicht."

Nocks Job ist es, sich in Gefahr zu bringen: Am Samstag lief er als erster Mensch das Seil der Zugspitz-Seilbahn ohne Balancierstange hoch, 348 Höhenmeter, bis zu 57 Grad Steigung. Sechs weitere Rekorde sollen diese Woche folgen. Heute, Montag, will er das Seil der Feuerkogelbahn in Oberösterreich überlaufen. Sein Motto: The sky is the limit.

Trotzreaktion

Angefangen hat er das Seilbahntanzen als Trotzreaktion: "Auf diesen Seilen will ich hochlaufen", sagte der elfjährige Nock zu seinen Eltern, als sie mit der Signalbahn in St. Moritz fuhren. "Das ist unmöglich", antwortete der Vater. 1989 belehrte der Sohn ihn eines Besseren.

Die Nocks sind eine der ältesten Artistenfamilien der Schweiz: Seit 1770 sollen sie über Seile tanzen, 1860 gründen sie ihren ersten Zirkus. Freddy, 1964 in Gränichen geboren, steht mit vier Jahren zum ersten Mal am Seil. Mit 16 geht er mit der Air Show seiner Tante auf Tour, balanciert über Löwenkäfige, fährt mit dem Motorrad Loopings in einer Eisenkugel oder schießt Leuten mit der Armbrust Äpfel vom Kopf. 2009 wird er Weltmeister im Seiltanzen.

Unfall

Mit 18 hat Nock den einzigen Unfall seiner Karriere: Weil ein blondes Mädchen in der ersten Reihe ihn mehr interessiert als das Seil, stürzt er und bricht sich beide Handgelenke. Seither trainiert er noch härter jene Fangtechniken, mit denen er mit Händen oder Füßen nach dem Seil greift, wenn er das Gleichgewicht verliert.

Aus einer geschiedenen Ehe hat Nock vier Töchter, als die erste schulpflichtig wird, sucht er sich einen festen Wohnsitz in der Schweiz. Zwei Töchter sind bereits ebenfalls Artistinnen. Heute lebt er in Uerkheim mit seiner Lebensgefährtin, die er "meinen Engel" nennt und die selbst zwei Kinder hat. Im Oktober erwartet das Paar den ersten gemeinsamen Nachwuchs.

Aufhören will Nock noch lange nicht. Die geplanten sieben Rekorde in sieben Tagen sollen ihm nur die nötige Berühmtheit verschaffen, um in vier Jahren seinen großen Traum verwirklichen zu dürfen. Was das ist, will er noch nicht verraten. (Tobias Müller, DER STANDARD-Printausgabe, 22.8.2011)