Es lebe die Zielgruppe. Sie bringt Pensionisten Schlagersendungen, Frauen Krankenhausserien und jede Menge Soaps und Promi-Talk für ein wenig anspruchsvolles Prekariat. Dankbar für diese Abgrenzung ruft der Bildungsbürger "Unterschichtenfernsehen", um seine hochkulturellen Interessen als hohles Statussymbol weiter vor sich herzutragen, ohne sich tatsächlich dafür zu interessieren. Zur Oberflächlichkeit kommt Heuchelei.

Fernsehen braucht Zielgruppen, Verallgemeinerungen, Klischees. Zu einem gewissen Grad bildet es damit Gesellschaft ab. Es prägt mit seinen Kategorisierungen aber auch Gesellschaft mit. Es formt die sozialen Schranken genauso, wie es sie abbildet. Seine Identität als Massenmedium ist in einer Zeit, in der ein partizipatives Internet die Menschen nach genuinen Vorlieben verbindet, nicht nach Staatszugehörigkeit, Alter oder Geschlecht, der größte Hemmschuh des Fernsehens. Die Quote ist seine Achillesferse, die einer Pluralisierung im Wege steht und immergleiche Handlungsschablonen und Showinhalte generiert.

Die klassischen Massenmedien haben ihren Höhepunkt überschritten. Was ansteht, ist ihre Pluralisierung und Individualisierung durch neue technische Möglichkeiten. Bevor individuelles, auf Charakteristika von Einzelpersonen hin generiertes Programm vielleicht möglich ist, sehen wir aber noch dem Untergang der alten Kategorisierungen und dem Aufstieg eines mündigeren Medienkonsumenten zu, der sich gezielt und aktiv Zutaten für seine individuelle Mediensuppe zusammensucht. Die Zielgruppen der Zukunft werden entsprechend globaler und differenzierter arrangiert sein. Optimistisch gesehen. (Alois Pumhösel/DER STANDARD; Printausgabe, 22.8.2011)