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Konsumzwang hin oder her: Vielen Kids aus Migrantenfamilien fehlt das nötige Einkommen dafür

Foto: APA/Jäger

Den Migrantenindex fürs Arbeitsmarktservice, Sebastian Kurz‘ neuer Einfall vom letzten Wochenende, es gibt ihn schon. "Wir arbeiten seit Jahren daran", erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Montag. Und widerspricht auch gleich in aller Gelassenheit dem Staatssekretär für Integration, der seinen Vorstoß für "mit dem Arbeitsminister abgesprochen" erklärt hatte. "Was der Herr Kurz von sich gegeben hat, kann ich nur den Medien entnehmen", so Hundstorfer. Jedenfalls gebe es schon seit Herbst eine spezielle Zielvorgabe ans AMS, sich um migrantisches Publikum besonders zu kümmern. "Da brauch ich keine Task Force dazu", spielt Hundstorfer auf Kurz‘ zweiten Vorschlag an. Und überhaupt: Er verhandle mit den Sozialpartnern, und "nicht mit dem Koalitionspartner".

Schlecht ausgebildet

Wie auch immer: Dass dringend etwas getan werden muss, darin sind sich Hundstorfer und Kurz wohl einig. Menschen mit Migrationshintergrund sind doppelt so oft arbeitslos wie Menschen ohne Migrationshintergrund. Zwar sind sie im Schnitt kürzer auf Jobsuche, doch werden sie ihre Jobs auch schneller wieder los. Das liegt vor allem daran, dass MigrantInnen durchschnittlich schlechter ausgebildet sind. Nur 16 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund haben lediglich einen Pflichtschulabschluss - aber 44 Prozent jener mit Migrationshintergrund. Das ist eine Folge der Gastarbeitermigration in den Sechziger- und Siebzigerjahren, als Österreich den Bedarf an minderqualifizierten Arbeitskräften nicht mit inländischem Personal decken konnte. Später wandelte sich das Bild: Jene MigrantInnen, die in den letzten Jahren ins Land kamen, sind sogar überdurchschnittlich gut gebildet, sagt Hundstorfer.

Muttersprachen sind AMS egal

Während nur 16 Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund haben, trifft das auf zwei Drittel der AMS-Kundschaft zu. Das liegt nicht nur an der geringen Qualifikation: Immer noch wird Mehrsprachigkeit nicht als Vorteil betrachtet. Während die Deutschkenntnisse bei AMS-Gemeldeten gezielt abgefragt und im schlechtesten Fall als  "Sprachdefizit" vermerkt werden, sind zusätzliche Sprachen im AMS-Erstgespräch kein Thema. Das bestätigt AMS-Vorstand Johannes Kopf auf derStandard.at-Nachfrage: "Nur, wenn der Kunde eine Sprache als besondere Qualifikation angibt, wird sie registriert", sagt Kopf. 

Auch bei der Anerkennung von Abschlüssen hapert es. Zugewanderte sind drei Mal so oft unter ihrer Qualifikation beschäftigt wie ÖsterreicherInnen.

Jugendliche bereiten Sorge

Brenzlig ist es vor allem beim Nachwuchs: Während bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund 7,3 Prozent keinem Job und keiner Ausbildung nachgehen, sind es bei den Jungen mit Migrationshintergrund fast zwanzig Prozent. Sorge bereitet hier, dass mehr als die Hälfte von diesen arbeitslosen Kids erst gar nicht in Kontakt mit dem AMS kommt. Zehn Prozent der Jungen mit Migrationshintergrund gelten als sogenannte "Nichterwerbspersonen", - sie sind also weder berufstätig, noch arbeitslos, noch in einer Ausbildungsstätte gemeldet. Bei den Jungen ohne Migrationshintergrund sind es nur 3,2 Prozent. "Da muss man wahrscheinlich mit Streetworkern arbeiten", vermutet Johannes Kopf. Der Sozialminister glaubt wiederum, dass ein zusätzliches Pflichtschuljahr helfen könnte. "Ich fordere das ja schon seit Jahren", beteuert Hundstorfer.

Wenige Fremdsprachen-BeraterInnen

Künftig sollen Jugendliche beim Umstieg von der Schule in den Beruf intensiver begleitet werden. Ein solches Projekt gibt es in Wien, nun soll der Pilot auch in drei Bundesländer wandern. Das Angebot an Muttersprachen-Beratung soll wachsen - schließlich hat das AMS erst vor zwei Jahren begonnen, gezielt nach Beschäftigten mit Migrantensprachen-Kenntnissen zu suchen. Das bescheidene Ergebnis: Heute hätten 176 von 5400 MitarbeiterInnen "profunde Kenntnisse einer der wichtigsten Sprachen der KundInnen mit nichtdeutscher Muttersprache", so AMS-Vorstand Herbert Buchinger. 

Um einen besseren Überblick zu haben, wie die Beschäftigungssituation von Menschen mit Migrationshintergrund ist, werden beim AMS künftig nicht nur Staatsbürgerschaften, sondern auch der Migrationshintergrund erfasst. Buchinger will noch weiter gehen: Er will künftig nicht nur wissen, wie viele MigrantInnen insgesamt arbeitslos oder in Schulungsmaßnahmen sind, sondern auch bei jedem und jeder AMS-Betreuten mit einem Mausklick erfahren können, ob er oder sie einen Migrationshintergrund hat. Zurzeit ist das aus Datenschutzgründen nicht erlaubt - die ethnische Herkunft gilt es besonders sensible Auskunft. Buchinger wünscht sich deshalb eine Novelle des Datenschutzgesetzes. 

"Österreich war und ist ein Einwanderungsland", stellt Hundstorfer fest. Grund für Existenzängste sei das keiner, sagt Hundstorfer: "Die Zuwanderung erhöht die Arbeitslosigkeit von Inländern nachweislich nicht", so der Minister. Denn dort, wo laut Statistik die meisten MigrantInnen arbeiten, stehen die inländischen Jobsuchenden selten Schlange: Landwirtschaft, Gastgewerbe, Bau. (Maria Sterkl, derStandard.at, 22.8.2011)