Wien - Eine neue Studie könnte zu einem Paradigmenwechsel bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis führen: Rheumatologen an der Medizinischen Universität Wien haben in einer Sekundärstudie mit 3.000 Patienten herausgefunden, dass der Knorpelstatus bei entzündlichem Gelenksrheuma mehr Beachtung benötigt, als angenommen. Einerseits bei der Diagnose, andererseits solle auch mit der Therapie früher begonnen werden, so die Med-Uni Wien in einer Aussendung.
Bisher war vorrangig die Schädigung des Knochens untersucht worden. Wichtig sei aber auch die Funktionsfähigkeit des Gelenks zu bewahren, um einfache Tätigkeiten weiterhin ausführen zu können. "Unsere Studie hat gezeigt, dass der Erhalt der Knorpelstruktur für dieses Funktionieren wichtiger ist als jener der Knochenstruktur. Den Knochen wieder aufzubauen, ist grundsätzlich möglich, beim Knorpel ist die Schädigung unwiderruflich", sagt Josef Smolen, Vorstand der klinischen Abteilung für Rheumatologie der Universitätsklinik für Innere Medizin III. Der Knorpel sei daher das viel größere Problem bei der rheumatoiden Arthritis.
Frühere Therapie des Knorpels
Das Ergebnis der Studie: Dem Knorpel muss künftig einerseits bei der Diagnose mehr Beachtung geschenkt werden, etwa beim Röntgen, und andererseits muss mit der Therapie früher begonnen werden, auch präventiv. Dazu stehen derzeit rund 15 hochpotente, entzündungshemmende Medikamente zur Verfügung. Daniel Aletaha, der Erstautor der Studie: "Wir müssen beides, den Knorpel und den Knochen, vor Zerstörung schützen. Bei der Röntgenuntersuchung etwa hat man aber bisher weniger Wert auf die Knorpeldestruktion gelegt. Das wird nun auf Basis unserer Studie weltweit überdacht werden müssen."
Etwa ein Prozent der Bevölkerung weltweit ist von rheumatoider Arthritis betroffen, an der Universitätsklinik der MedUni Wien am AKH Wien werden derzeit rund 2.000 Patienten - 75 Prozent davon sind Frauen - behandelt. Die im Fachmagazin „Annals of the Rheumatic Diseases" veröffentlichte Studie dauerte knapp zwei Jahre.
Untersuchung wichtiger als Blutbefund
In einer weiteren Studie der Wiener Rheumatologen, ebenfalls in "Annals of the Rheumatic Diseases" erschienen, fanden die Forscher heraus, dass der Gelenkschwellung ein größerer Stellenwert zukommt als den Blutbefunden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn im Blutbefund keine Entzündungszeichen erkennbar sind, jedoch gleichzeitig entzündete Gelenke in der klinischen Untersuchung vorliegen. "In diesem Zusammenhang übertrumpft die klinische Untersuchung des Patienten den Blutbefund, der dann zweitrangig ist", sagt Studienleiter Aletaha. Denn in einer solchen Situation gehen auch bei einem guten Blutbefund jene Prozesse weiter, die das Gelenk kaputt machen. Dieses Phänomen ist insbesondere in jenen Situationen wesentlich, in denen die Krankheit durch die Behandlung weitgehend, aber noch nicht vollständig, zurückgedrängt wurde. Da dies bei rund zehn Prozent der Patienten der Fall ist, müssen trotz unauffälligem Blutbefund weitergehende therapeutische Überlegungen angestellt werden. (red)