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Bernhard Felderer ortet bei den großen Reformblöcken Gesundheit und Pensionen in Österreich Stillstand.

Foto: AP/Ronald Zak

Wenn das Pensionsalter nicht drastisch steigt, sind Kürzungen bestehender Leistungen unausweichlich, warnt IHS-Chef Bernhard Felderer. Generell stehen beim Forum Alpbach die Sozialsysteme auf dem Prüfstand.

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Alpbach - Manche sprechen von Sozialabbau, andere von -sicherung. Bei den Reformgesprächen des Europäischen Forums Alpbach dominieren nicht ganz überraschend die Reformideen. Laut Michael Eilfort, Chef der deutschen Stiftung Marktwirtschaft, "werden uns die steigenden Aufwendungen des Sozialsystems um die Ohren fliegen". "Aus der sozialen Marktwirtschaft wird zusehends eine staatliche Sozialwirtschaft mit schrumpfenden Marktnischen", stellt Eilfort, der der CDU nahesteht, fest.

Wenn die Zahl der wegen niedriger Einkommen steuerbefreiten Beschäftigten ständig steige, sei es kein Wunder, dass diese Gruppe kein Problem mit höheren Steuern habe, unterstreicht Eilfort. In Deutschland fehlten angesichts ähnlicher Niveaus von Sozialleistung und Einkommen aus Beschäftigung Anreizen zu Jobannahme. "Wenn diese Probleme nicht angegangen werden, drohen ein Verlust des Wohlstands und soziale Unruhen", konstatiert Eilfort. Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien, kann sich dem nur anschließen.

Allerdings ortet er bei den großen Reformblöcken Gesundheit und Pensionen in Österreich Stillstand. Anreizwirkungen - sei es für längeres Arbeiten oder Präventivmaßnahmen im Gesundheitssystem würden von der Politik "völlig negiert". Nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa ortet Felderer nahezu eine "Entscheidungsunfähigkeit" und fordert nun radikale Schritte: Wenn die Frühpension nicht abgeschafft und das Antrittsalter in zehn bis 15 Jahren auf 62 bis 63 Jahre angehoben werde, seien Eingriffe in Bestandspensionen denkbar. Dazu zählt er Anpassungen der Renten unterhalb der Inflationsrate. Die Invaliditätspension gehöre überhaupt aus dem Versicherungssystem eliminiert, in der Regel könnten die Betroffenen auch bei Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit für adäquate Aufgaben eingesetzt werden. Die Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt sollten sofort nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erhöht werden, fordert das IHS in einer im Auftrag der Wirtschaftskammer erstellten Studie.

Im Gesundheitsbereich setzt sich Felderer für eine Reduktion der Akutbetten ein. Bei stationären Spitalsaufenthalten sei Österreich in punkto Ausgaben auf bestem Weg zum Weltmeistertitel. Eine andere Richtung hat Dänemark eingeschlagen, wie der frühere Gesundheitsminister und jetzige Privatkrankenhaus-Manager Jakob Axel Nielsen berichtet. Ab 2007 seien die Akut-Stationen des Landes auf 20 halbiert worden, primär um das Qualitätsniveau anzuheben, als "angenehmer Nebeneffekt" sanken freilich auch die Kosten deutlich. Zudem können Patienten ab einer bestimmten Wartezeit auf Privatspitäler zurückgreifen, die dann die Kosten ersetzt bekommen. So habe man die Effizienz im Spitalswesen deutlich angehoben, erklärt Nielsen.

Am deutschen Arbeitsmarkt sieht Peter Hartz, unter dessen Leitung eine nach ihm benannte Kommission im Auftrag der Regierung Gerhard Schröder (SPD) weitreichende Konzepte vorlegte, viele Verbesserungen, gibt aber zu, dass die Reform wegen des Aufschwungs bei Billigjobs umstritten sei. Größten Handlungsbedarf sieht er bei den zwei Millionen Langzeitarbeitslosen, wobei sich Hartz zu jenen Optimisten zählt, die hier eine Vermittlung am Arbeitsmarkt großteils für möglich halten. (as, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.8.2011)