Elfriede Vavrik hat gut lachen: Auch ihre zweite Autobiographie über Liebe, Sex und beziehungsgestörte Männer wird sich wohl blendend verkaufen.

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Das Buch "Badewannentag" der 82-Jährigen ist eine Fortsetzung von "Nacktbadestrand".

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In Deutschland beschreibt Charlotte Roche in zwei umstrittenen Büchern alle Details ihres Intimlebens und ihrer Geschlechtsorgane und geißelt dabei die vermeintlich körperfeindlichen FeministInnen. In Österreich erledigt den Job der Enttabuisierung weiblicher Sexualität deutlich weniger aufgeregt eine 82-jährige Pensionistin. Elfriede Vavrik hat viel Sex (mal guten, mal schlechten) mit jüngeren Männern und berichtet auch in ihrem zweiten Buch "Badewannentag" in fein sezierten Details und mit grober Sprache darüber.

Dabei standen die Eskapaden, die sie abgehandelt hat, eigentlich unter keinem guten Stern: Die Autorin, die mit ihrem Alterssexwerk "Nacktbadestrand" im Vorjahr für Furore sorgte, hat sich nämlich bei der Selbstbefriedigung im Stehen den Oberschenkelhals gebrochen. Bei der Buchpräsentation in der Buchhandlung Thalia in Wien-Landstraße betrat sie die Bühne daher mit gelber Krücke. Scham kennt die Pensionistin keine, nur selbstkritische Reue: "Warum hab ich dumme Kuh mich nicht dazu hingelegt?"

Außer ihrer derzeit eingeschränkten Beweglichkeit, wirkt die 82-Jährige deutlich jünger. Sie trägt dezentes Make-Up. Ihre Haare umrahmen das Gesicht mit einem weichen, schmeichelhaften Schnitt. Ihre derben Schilderungen werden durch ihren Humor und ihre Lebensfreude aufgelockert. Nach dem Krankenhausaufenthalt ging es in ihrer kleinen Wohnung in Laxenburg gleich wieder zur Sache. "Ich bin müde, du musst mir aus dieser Jogginghose helfen. Ich finde, sie passt nicht zu meinem Haarschnitt", sagt sie zu Gerhard, der sie heimfuhr.

Die Heilkraft von Apfelmus

Früher verfasste Vavrik Kindermärchen - diese Zeiten sind vorbei. "Ich habe extra die harmlosen Geschichten ausgesucht, damit keiner rot wird", ein Versprechen, das die Dame während der Lesung gründlich bricht. Sie erzählt von ihrem ersten Sex nach dem Krankenhausaufenthalt: "Sich das Gehirn rausficken lassen, genauso fühlt sich das an. Es war, als würde ein wildgewordener Stabmixer durch meinen Kopf wüten, um aus meinen Hirnlappen Apfelmus zu machen." Vavrik blickt von ihrem Buch auf: "So etwas sollte es eigentlich für alle alten Frauen auf Krankenschein geben."

Auch diesmal kommt ein alter Bekannter aus dem ersten Buch - der Gartenschaufelgriff aus Plastik als Sex-Toy - vor. Wobei, in dieser Hinsicht hat Vavrik weitere Erfahrungen gesammelt: "Der Schaufelgriff war auf seine Art gut und irgendwie aufregend gewesen, aber gegen seinen elektrischen Konkurrenten aus dem Frauensexshop hatte er keine Chance." An dieser Stelle schaut die Autorin in ihre Publikum und kommentiert die Passage fast etwas ärgerlich: "Was glauben denn die Leute, was all die alten Frauen tun, die sich durch das Rollenbild Oma nicht mehr an die Männer wagen? Auch alte Damen sind noch gierig." Schelmisch lachend fragte sie nach einer kurzen Pause in das Publikum: "Na? Wird schon jemand rot?"

"Kinder kriegen kann man auch ohne Freude"

Und Resignieren kommt für Elfriede Vavrik nicht in Frage. Nachdem sie ihre geliebte Buchhandlung aufgab und in Pension ging, litt sie an Schlaflosigkeit. Sie sei immer sehr beschäftigt gewesen und hätte mit dem ruhigeren Leben nicht umgehen können. "Ich war ja nicht mehr müde am Abend", sagte Vavrik. Ihr Hausarzt riet ihr, sich Männerbekanntschaften zu suchen. Der Gedanke widerstrebte ihr zunächst. Die zweimal Geschiedene hätte sich nach 40 Jahren Abstinenz Männer eigentlich schon "abgewöhnt". Dennoch probierte es die Endsiebzigerin mutig mit einem Inserat, woraufhin sie mehr als hundert Zuschriften bekam.

Tradierte Normen sind langlebig und mehr als die peinlich genau durchexerzierten Details ihres Sexualleben, war wohl das Alter ihrer Liebhaber ein Thema in der Öffentlichkeit. Vavrik will nämlich ausschließlich jüngere Männer. "Ich habe mir die Liebhaber ausgesucht, die mir zustehen", sagte Vavrik einmal in einem Interview. Mit einigen der Männer ließ sie sich also ein, zum Beispiel mit einem 25-Jährigen, einem vorbestraften Mörder oder einem Musiker. Ein 17-Jähriger wäre auch interessiert gewesen, den habe sie jedoch bereits am Telefon abgewimmelt.

Rundungen im Rot-gelben Badeanzug

In Sachen eigener Körperwahrnehmung kann Elfriede Vavrik durchaus für viele Frauen als Rollenbild gelten. Sie wirkt gelöst und selbstbewusst. Vor ihrem ersten Ehemann habe sich die im Jahr 1929 Geborene zum Beispiel nie ausziehen wollen. "Meine Brüste sehen besser aus im Alter. Als ich jung war haben sie mir nie gefallen, ich war ja so mager", verrät Vavrik. Sie beschreibt einen Besuch im Freibad: "Meine Rundungen füllten den rot-gelben Badeanzug." Die Blicke der männlichen Badegäste sind ihr durchaus aufgefallen. Nach dem Besuch im Bad gab es dann für den Begleiter einen Blow-Job am Autoparkplatz. In der Praxis ist das weniger erotisch: "Das erforderte einige schmerzhafte Verrenkungen und umständliches Herumrücken der Autositze."

Auch mit dem Thema Schamhaarentfernung hat sich Vavrik mit 80 Jahren zum "ersten und letzten Mal" beschäftigt. Von ihren "seidig weißen Schamhaaren" will sie sich nicht mehr trennen, das Resultat sei den Aufwand nicht wert.

"Liebe Mutti"

Dass sich viel jüngere Männer für sie sexuell interessieren, kommentiert Vavrik nüchtern: „Angeblich suchten die meisten Männer in den Frauen ihre Mütter. Bei Männern, die auf ältere Frauen wie mich standen, traf das wohl besonders häufig zu." Da erlebt die dreifache Mutter zum Beispiel, wie ein Liebhaber mit ihr den Muttertag feiern will. Sie wacht in ihrer Wohnung auf, die mit rosafarbenen Schmetterlingsflügeln und Rosenblättern dekoriert ist. Dazu gibt es eine Nusstorte mit rosa Glasur. Die Autorin schildert weiter: "Karl gab mir eine Muttertagskarte, die eine glückliche ländliche Familie zeigte. Er sang sogar ein Muttertagslied." Als ihre Söhne der Reihe nach anriefen, um zu gratulieren, reagierte ihr der Mann eifersüchtig und schlug im Streit die Tür hinter sich zu. "Na toll, dachte ich. Jetzt kann ich die Blütenblätter selbst aufräumen", schreibt die 82-Jährige.

82, ledig, sucht Mann fürs Leben

Nach intensiven sexuellen Erlebnissen - ihren ersten Orgasmus hatte sie laut eigenen Angaben erst mit 79 Jahren - und dem Unfall erkennt sie eine Einsamkeit, die "ich mir selbst nie eingestehen wollte". Sie fasste daher den Entschluss "noch einmal alle Kraft zu sammeln, um zum Ziel zu gelangen: Den Mann fürs Leben zu finden. Dieser Versuch wird den Abschnitt zum besten meines Lebens machen."

Am Ende ihres neuen Buches findet Vavrik nicht ihr Glück, sondern einen müden Bequemlichkeitskompromiss. Der psychisch angeknackste Karl fährt sie zum Arzt und vertreibt ihr die Einsamkeit. Aber man muss sich wohl keine Sorgen um Frau Elfriede machen: Die Frau weiß, was ihr zusteht. (Julia Schilly, derStandard.at, 25. August 2011)