Alpbach - Die Ablehnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln in Europa und auch in Österreich ist hoch und noch weiter im Steigen begriffen: Das zeigen immer wieder die Eurobarometer-Umfragen. Mit der Frage, warum solcherart modifizierte Nahrungsmittel in oft duchaus emotionaler Weise abgelehnt werden, hat sich der Sozialpsychologe Wolfgang Wagner von der Universität Linz beim Universitätenforum im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach auseinandergesetzt. Einer der Gründe seiner Ansicht nach: Eine tiefsitzende Angst vor Art-Mischungen lässt die Gentech-Lebensmittel monströs und unnatürlich erscheinen.
Rein rational hängt das Risiko einer Technologie wie jenes von genetisch modifizierten Lebensmitteln von der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens und dessen Höhe ab. Menschen würden aber im Alltag anders urteilen, betonte Wagner. Da spiele ein wahrgenommener Mangel an Sicherheit ebenso eine Rolle wie das Fehlen eines wahrgenommenen Nutzens für die Betroffenen, Bedenken bezüglich der gerechten Verteilung von Nutzen und Risiken oder die Wahrnehmung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) als etwas Unnatürliches.
Synkrasiphobie
Für letzteren Punkt hat Wagner in den vergangenen Jahren eine Theorie über die "Angst vor Vermischung", auch Synkrasiphobie genannt, entwickelt. Demnach würden die Menschen schon sehr lange allen Lebewesen eine art-bezogene Wesenhaftigkeit oder "Essenz" zuschreiben. Diese charakteristische, nicht veränderbare Essenz bestimme, welche Eigenschaften die individuellen Vertreter einer biologischen Art oder Gattung in der Wahrnehmung des Beobachters besitze.
Weil gentechnisch veränderte Organismen Gene verschiedener Arten beinhalten, würde dies so wahrgenommen, als ob die "Essenzen gemischt und die Identität bzw. das Wesen des jeweiligen Organismus zerstört würde", so Wagner. Für ihn ist das eine "ziemlich alte, fast evolutionär vorgegebene Art des Denkens", der man mit Rationalität kaum begegnen könne. Als Beleg für seine Theorie sieht Wagner die Eurobarometer-Ergebnisse bei der Frage, wie unnatürlich man Äpfel mit Bakteriengenen oder mit Genen einer anderen Apfelsorte hält. Genetische Modifikation zwischen verschiedenen Lebensformen werde dabei als deutlich unnatürlicher wahrgenommen als innerhalb einer Art.
Die Ängste vor Gentech-Lebensmittel würden aber über diese "essenzialistische Denkweise" hinausgehen, auch die Bildung spiele eine große Rolle. So zeige die Eurobarometer-Umfrage ebenfalls, das viele Europäer nicht wissen, wie Gene funktionieren. Der Behauptung, dass GVOs Gene besitzen, während natürliche Organismen keine Gene hätten, stimmten 30 Prozent der Europäer in früheren Umfragen zu. "Mit der biologischen Bildung ist es in Europa nicht weit her", konstatiert Wagner nüchtern. (APA/red)