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Der Bürgermeister ...

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und der Müll.

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Angezündeter Müll.

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Ferragosto in Italien, das bedeutet die heißeste Zeit im Jahr und der heiligste Feiertag der Katholiken. Rund um den 15. August schießen die Temperaturen stets derart in die Höhe, dass bereits Kaiser Augustus im Römischen Reich um diese Jahreszeit selbst die Sklaven von der Arbeit befreite. Für das Gros der Italiener fällt der Urlaub in genau diese Zeit, man fährt ans Meer, zu Verwandten oder in die Berge, nur die Arbeit ruht ausnahmslos.

Luigi De Magistris verbindet heuer nicht Urlaub und keine Entspannung mit diesem Datum, für ihn, den neuen Bürgermeister Neapels, ist das Datum eine Deadline: Bis dahin, so sein Versprechen, werde er die Straßen in kampanischen Hauptstadt vom Müll befreien. Ende Mai, als Kommunalwahlen in weiten Teilen Italiens stattfanden, ist er zum Sieger in Neapel, der größten Stadt des Südens, erklärt worden. Jener Stadt, die allmählich im Abfall verschwindet, in der seit 16 Jahren der selbst ernannte Müllnotstand herrscht.

Der Europaabgeordnete und ehemalige Richter De Magistris gehört der kleinen Antikorruptionspartei "Italien der Werte" (IdV, Italia dei Valori) an, die einen scharfen Anti-Berlusconi-Kurs fährt und die die Befreiung zum Müll zur Chefsache erklärt hat. Kurz vor der Wahl lagen ein mal mehr ganze 3.000 Tonnen Müll auf den Straßen und Plätzen Neapels. Die Müllberge stinken, noch mehr bei Hitze, sie bringen Epidemien, Schulen schließen, Menschen verweigern die Arbeit, weil der Fäulnisgeruch das Alltagsleben unmöglich macht. Der Giftmüll ist gleichzeitig auch Gold wert, die Camorra, die Mafia in Kampanien, hat bei dem dauernden Müllproblem ihre Hand im Spiel und verdient damit viele Millionen.

Laut dem jüngsten Bericht der italienischen Umweltorganisation "Legambiente" haben die diversen Clans mit Müllgeschäften allein in 2009 einen Umsatz von 20,5 Milliarden Euro erzielt (Zahlen für 2010), was dem Umsatz der Telefongesellschaft Telecom Italia entspricht. Demnach decken Ermittler im Durchschnitt alle 43 Minuten ein Verbrechen an der Umwelt auf, an dem sich die italienischen Mafia-Clans bereichern.

Neugeburt der Müllstadt

De Magistris träumte schon lange von der Neugeburt seiner Heimat und als er die Stichwahl gegen seinen Konkurrenten für sich gewann, setzte er sich ein Datum, um seinem Traum einen Schritt näher zu kommen. Und tatsächlich, die Touristen kamen und der Müll, der ging. "Neapel ist endlich vom Müll befreit", verkündete er am 15. August. Das erste Schiff mit dem angestauten Müll soll zwischen 15. und 20. September Richtung Nordeuropa in See stechen. Wohin der Müll genau gebracht wird, wollte der Bürgermeister noch nicht verraten. Der nächste Schritt sollen Müllverbrennungsanlagen sein, die den Müll in Strom und Wärme umwandeln sollen.

De Magistris hat einen Kraftakt in Gang gesetzt, simpel, aber wirksam: Einführung der Mülltrennung, Erhöhung der Strafen, und die Müllabfuhr holt die Mistsäcke fortan direkt an den Haustüren ab. Außerdem hat sich die Stadt die illegalen Mülldeponien unter den Nagel gerissen. Das war nicht einfach und verlief nicht reibungslos, denn der Politiker der kleinen Antikorruptionspartei "Italien der Werte" hatte von vornherein klar gemacht: Mit der organisierten Kriminalität macht er keine Geschäfte.

Hilfe der Bürger

Die Camorra legte De Magistris schnell die ersten Steine in den Weg. Sie ließ Mden Abfall anzünden oder auf der Straße verteilen. Und so vehement, wie sie Jahrzehnte die funktionierende Entsorgung verhindert hat, so stemmt sie sich weiter gegen die Mülltrennung. Es war eine Momentaufnahme, als der Bürgermeister den Kampf gegen den Müll für gewonnen erklärt hatte, also fügte sein Stellvertreter und Mithelfer, Tommaso Sodano, hinzu: "Wir brauchen die Hilfe der Bürger, um die Stadt auch weiterhin sauber zu halten". 

Hilfe bräuchte die Stadt vor allem von seiten der Regierung. Ministerpräsident Silvio Berlusconi allerdings mauert und verweigert weiterhin die Zustimmung zu einem Dekret, das den Abtransport des Mülls in andere Regionen Italiens erlaubt. "Wir bräuchten jetzt Unterstützung, die uns von denen verweigert wird, die uns eigentlich helfen müssten", beklagt Sodano. Die chronische Müllkrise belastet die Stabilitiät der Regierung und das ohnehin angekratzte Verhältnis zum Regierungspartner Lega Nord, der Politik für den Norden des Landes betreibt. Gegen die Idee, Müll von einer Region in eine andere zu transportieren und dort zu entsorgen, wehrt sich die rechtspopulistische Lega Nord vehement. Zum Müllnotstand in Neapel stellte Lega-Nord-Minister Roberto Calderoli eine Bedingung an die Regierung: Die Lega werde für das Dekret stimmen, wenn die Abfälle im Süden bleiben.

Und hier schließt sich der Kreis. Mülltrennung bedeutet weniger Abfall, weniger Abfall schadet der Müllwirtschaft und damit der Camorra. Dass Mülltrennung nicht funktioniert, liegt zum Großteil daran, dass Mülltrennung in Neapel Widerstand gegen die Mafia bedeutet. Bisher hat sich noch keine Stadtverwaltung getraut, das wirklich durchzusetzen. (fin, derStandard.at, 24.8.2011)