Die in Wellblechdächern montierten Solar-Flaschenlampen streuen Licht wie eine 50-Watt-Glühbirne, verbrauchen aber keinen Strom. Wasser mit Bleiche bringt die Plastikflasche zum Leuchten

Foto: Kollenberg

Spezialisten bauen 70 Lampen täglich zusammen. Pro Stück erhalten sie 65 Cent

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Marissa Manayon strahlt über das ganze Gesicht. In ihren Augen spiegelt sich der Lichtschein einer Lampe. Jahrelang hat die Filipina darauf gewartet. "Die Küche ist ein wichtiger Platz in der Wohnung, war aber immer dunkel. Jetzt beleuchtet das Solarlicht die Küche von morgens bis abends" , sagt sie. Seit März dieses Jahres steckt eine Solar-Flaschen-Lampe in der Wellblech-Küchendecke der Manayons in einer illegalen Siedlung in Cebu City auf den Philippinen. Wenn tagsüber die Sonne scheint, spendet die Konstruktion so viel Licht wie eine 50-Watt-Glühbirne, verbraucht aber nicht das geringste bisschen Strom.

Das Konzept ist einfach: Eine Ein-Liter-Plastikflasche wird mit Wasser und Bleiche gefüllt. Das Bleichmittel verhindert die Algenbildung im Wasser. Wird die Flasche in ein Dach montiert, leitet sie das Sonnenlicht ins Innere des Gebäudes. Weil Licht in Wasser anders bricht als in Luft, strahlt die Solar-Flaschenlampe wie eine Glühbirne. Das Licht streut in alle Richtungen.

Sozialprojekt

Tausende solcher "Lampen" sind seit März in den Slums des Inselstaates im Pazifik installiert worden. Initiiert hat das die My-Shelter-Stiftung von Illac Diaz. Der 39-Jährige ist Sozialunternehmer. Er entwickelt soziale Projekte, die Bedürftigen helfen. "Es muss zugänglich für die Armen sein, sie müssen es sich leisten können, und es muss einen unternehmerischen Aspekt haben" , sagt Diaz. Wenn sich aus einem Projekt ein Unternehmensmodell entwickeln lässt, kann das sowohl für Kleinunternehmer als auch für Kunden ein Weg aus der Armut sein. Die MyShelter-Stiftung gibt den Anschub, alles andere läuft von selbst, im Idealfall.

Die Idee für die Solar-Flaschen-Lampe stammt aber gar nicht von Illac Diaz selbst. 2002 hat der Brasilianer Alfredo Moser sie entwickelt. Er hat mit der ungewöhnlichen Lampe seine Arbeitshalle unabhängig von Stromausfällen machen wollen. Das Entwicklungslabor des amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde 2008 auf das Projekt aufmerksam. Dort haben sie die Solarflasche weiterentwickelt. Daher hat Illac Diaz, der dort seinen Doktor macht, die Idee: "ein Liter Licht" .

Ein echtes Businessmodell

Bis Ende 2012 will die MyShelter Foundation auf den Philippinen eine Million Flaschen installiert haben. Finanziert wird die Solarbeleuchtung von den Gemeinden, nur eine Plastikflasche müssen die Slumbewohner selber besorgen. Wasser, Bleichmittel, Dichtmaterial und eine Wellblechschelle wird gestellt. Aus der Idee hat sich ein echtes Businessmodel entwickelt. Kaum eine Siedlung, in der sich nicht Bewohner auf die Installation der Solarlampen spezialisiert haben.

Im Stadtteil San Pedro in der Metropolregion Manila ist das Dime Bukas. Täglich baut der 47-Jährige 70 Flaschenlampen zusammen. In seiner Gemeinde hat er schon fast 6000 davon installiert. Für Demi sind die Flaschen zu einer Einnahmequelle geworden. 40 Pesos, rund 65 Cent, bekommt der Kleinunternehmer für jede montierte Flasche.

Auch für Familien wie die von Marissa Manayon bedeutet die Flasche eine finanzielle Erleichterung. "Früher habe ich 3800 Pesos im Monat für Strom bezahlt. Jetzt zahle ich nur noch 2800" , freut sich die Mutter zweier Söhne. Der Durchschnittsverdienst auf den Philippinen liegt bei 17.200 Pesos (280 Euro) pro Monat.

Die Energiefirmen des Landes unterstützen das Projekt. Für Illac Diaz überraschend, aber logisch: "Früher haben die Bewohner der Armenviertel tagsüber Strom genutzt, konnten ihn aber nicht bezahlen. Wenn sie nun kostenlose Beleuchtung haben, müssen sie nur noch für den Strom bei Nacht zahlen." Doch auch dieses Problem will der Unternehmer 2012 angehen. Ein neues Modell der Solar-Flaschenlampe mit integrierter Leuchtdiode, Batterie und Solarzelle ist bereits in Planung. (Malte E. Kollenberg, DER STANDARD Printausgabe, 25.8.2011)