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Der libysche Pavillon auf der Expo im chinesischen Schanghai 2010. Pekings Regierung stellt sich auf neue Gesprächspartner ein. Foto: AP

Foto: AP/dapd/Eugene Hoshiko

Chinas Staatssender CNR ließ die Gaddafi-Familie noch einmal aufleben. Seine Hauptnachrichtensendung, die allmorgendlich um halb sieben Uhr als politisches Leitmedium der Nation ausgestrahlt wird, fand die Ansprache des Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafi und das kurze Auftauchen seines Sohnes Saif al-Islam wichtiger als den Erfolg der Rebellen. Die Frühnachrichten hörten sich so an, als ob die Gaddafis noch den Ton in Libyen angeben könnten.

Andere Medien hatten da schon den Schlussstrich gezogen. Zeitungen, wie die Pekinger Zhenbao, erschienen an den Kiosken mit Titelfotos von der libyschen Botschaft in der chinesischen Hauptstadt, die ihre grüne Staatsfahne einzog und die Flagge der Opposition gehisst hatte.

Pekings Außenamt hat die neuen Realitäten schon seit Anfang der Woche anerkannt. Sprecher Ma Zhaoxu verkündete, dass China "die Wahl des libyschen Volkes akzeptiert". China sei bereit, "mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren und eine aktive Rolle beim Wiederaufbau Libyens in der Zukunft zu spielen".

"Die Rechte respektieren"

Ein Sprecher des Handelsministeriums assistierte ihm. Peking wolle die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Libyen fortsetzen. Er hoffe, dass Libyen nach seiner Rückkehr zu geordneten Verhältnissen die Rechte chinesischer Investoren respektiere.

Er reagierte damit auf eine Äußerung des von den Oppositionellen bereits kontrollierten libyschen Ölkonzerns Agoco. Dessen Sprecher hatte angedroht, dass Russland und China als Staaten, die Gaddafi die Treue hielten und die Rebellen nicht unterstützten, bei künftigen Aufträgen zur Öl-Exploration leer ausgehen sollten.

China rudert in seiner Libyenpolitik kräftig, denn es will beim Wiederaufbau mit im Boot sitzen. Das Thema Libyen steht neben der Stabilität des Euro und der globalen Finanzmärkte auch auf der Tagesordnung eines für Donnerstag Nachmittag in Peking vorbereiteten Blitzbesuchs von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.

Bei einem mehrstündigen Stoppover in Peking auf seinem Weg zu einer Wirtschafts-Konferenz im Südpazifik wird Sarkozy, der den turnusmäßigen Vorsitz über die G20-Gipfel hält, mit Chinas Staatschef Hu Jintao zusammentreffen, meldete die chinesische Presse. Er komme nach Peking direkt nach seinem für Mittwoch geplanten Treffen mit Rebellenführer Mahmud Jibril in Paris.

Bei diesem glaubt auch Chinas Regierung gute Karten zu haben. Am 21. Juni hatte sie in Peking offiziell Vertreter des "Nationalen Übergangsrats" (NTC) empfangen, darunter Mahmoud Jibril. Außenminister Yang Jiechi nannte den NTC damals "einen wichtigen Partner des Dialogs".

Peking geht noch weiter: "Gaddafi war in Wirklichkeit nie unser Freund", behauptet Li Shaoxian, Vizepräsident des Instituts für gegenwärtige Internationale Beziehungen. Dies sei seit vielen Jahren so, sagte er dem Internetforum des Parteiorgans Volkszeitung.

Feindliches Verhalten

Als Beispiele des Peking feindlichen Verhaltens Gaddafi nannte Li, dass er 2003 Chinas Regierung beschuldigt habe, gegenüber Afrika eine Politik des "neuen Kolonialismus" zu betreiben. Er habe auch dafür gesorgt, dass Chinas Öl- und Gaskonzerne von der Liste der Unternehmen verdrängt wurden, die sich für die libysche Ölförderung bewerben durften. Libyen sei zudem der einzige Staat im Mittleren Osten gewesen, der 2006 trotz Pekinger Proteste den taiwanesischen Präsidenten Chen Shui-bian empfangen hatte.

Solche Vorbehalte hatte Pekings Außenpolitik einst nicht öffentlich gemacht. Tatsächlich traf der Umsturz Pekings Außenwirtschaft völlig überraschend. In der größten Evakuierungsaktion der Geschichte musste die Volksrepublik 35.000 ihrer Ingenieure, Techniker, Eisenbahn- und Straßenbauer aus Libyen evakuieren. Das Handelsministerium sprach von 26 betroffenen chinesischen Konzernen, die von Libyen Aufträge für 75 Projekte im Wert von umgerechnet mehr als 16 Mrd. Euro erhalten hatten.

Auch als Öllieferant spielte Libyen eine wichtige Rolle. 2010 deckte es mit Exporten von sieben Mio. Tonnen Rohöl drei Prozent der Öleinfuhren Chinas ab. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2011)