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"Es bewegt sich einiges auf EU-Ebene, und Österreich ist da ausnahmsweise wirklich einmal vorn dabei.", sagt der EU-Kommissar für Regionalpolitik

Foto: EPA/Jaeger

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"Die deutsche Regierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie sich nicht an den Kosten beteiligen würde."

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Standard: Österreichs Uni-Politik holt Sie in Brüssel ein. Der Expertenbericht zum Hochschulplan empfiehlt der Regierung, "auf EU-Ebene eine Vereinbarung anzustreben, in der die Ausgleichszahlungen, die ein Land für seine Studierenden im Ausland zu entrichten hat, geregelt und die Preise für die einzelnen Studienrichtungen festgesetzt werden". Ist das realistisch?

Hahn: Das ist eine Lang-lang-Perspektive. Erstens: Wir haben keine EU-einheitlichen Systeme, etwa was die Studienplatzfinanzierung anbelangt. Zweitens: Das Wissenschaftsministerium arbeitet ja schon seit meiner Zeit im Gefolge dieser Problematik an den Medizin-Unis daran, das Thema der unerwünschten Mobilität in Europa zu einem europäischen Thema zu machen. Da ist Österreich schon ganz gut unterwegs, da muss ich ihnen ein Lob aussprechen, weil zunächst wurde das als rein österreichisches Thema empfunden. Mittlerweile zeigt sich, dass an dieser Fragestellung zehn bis 15 Länder ein Interesse haben. Das ist der richtige Ansatz.

Standard: Welche Länder sind das?

Hahn: Portugal und Spanien, Dänemark und Schweden. Es gab ähnliche Probleme zwischen der belgischen Wallonie und Frankreich, auch zwischen dem flämischen Teil Belgiens und den Niederlanden. Zypern - Griechenland ist à la longue nicht auszuschließen. Mittlerweile gibt es auch einen Zusammenschluss der Universitäten kleiner Mitgliedstaaten. Es bewegt sich einiges auf europäischer Ebene, und Österreich ist da ausnahmsweise wirklich einmal vorn dabei.

Standard: Was macht diese Gruppe von europäischen Unis?

Hahn: Es geht zum Beispiel darum, sich ein bisschen abzustimmen, was Studienangebote anlangt, weil in kleinen Ländern ja nicht alle Studien angeboten werden. Das Thema wird uns irgendwann auch in Österreich begegnen.

Standard: Sie rechnen damit, dass Österreich in Zukunft nicht nur innerösterreichisch das Hochschulangebot besser abstimmen muss, sondern dass die universitäre "Angebotsplanung" irgendwann auch auf EU-Ebene passieren wird?

Hahn: Das ist eine mittel- bis langfristige Entwicklung - in ganz Europa eine bessere Harmonisierung des Studienangebots. Wir müssen bis zu einem gewissen Grad differenzieren zwischen Ausbildung und Bildung. Und es soll mir jetzt keiner mit dem Kalauer kommen, Ausbildung ist das Aus für die Bildung. Die meisten gehen an die Uni, um dort eine solide Berufsausbildung zu bekommen. Deswegen ist der Ansatz der Expertengruppe, verstärkt auf Fachhochschulen zu setzen, auch richtig und entspricht dem internationalen Trend. Das könnte so weit gehen, dass man auch an den Unis den Bachelor sehr stark berufsorientiert macht und dann eine Verzweigung zum Master in Richtung verstärkt wissenschaftlich oder verstärkt berufsorientiert. Gerade bei Master und vor allem PhD sehe ich eine stärkere Internationalisierung der Angebote, die dann auch stärker abgestimmt werden müssen. Die Mobilität der Studierenden findet ja vor allem zwischen den Studien statt. Ich mach den Bachelor da, den Master dort, den PhD wieder woanders.

Standard: Deutschland, Österreichs "Hauptproblem" in Sachen Uni-Zugang, sagt - und Bildung ist noch immer nationale Agenda - bewusst, wir bieten so und so viele Studienplätze an, weil damit unser nationaler Bedarf gedeckt ist. Warum sollte Deutschland mitzahlen?

Hahn: Deswegen bin ich ja skeptisch und war auch verwundert über den Ausgleichszahlungsvorschlag, weil einer der drei Experten ja ein Deutscher ist (Eberhard Menzel, Präsident der Hochschule Ruhr West). Die deutsche Bundesregierung war in der Sache der Medizinstudenten immer sehr kooperativ, aber sie hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie sich nicht an den Kosten beteiligen würde. Das wäre auch relativ schwierig, da man dafür eine Studienplatzfinanzierung braucht, und von der sind wir ja noch ziemlich weit entfernt.

Standard: Werden Sie als EU-Kommissar in dieser Frage tätig?

Hahn: Es ist nicht meine Zuständigkeit. Die Frage ist aber, ob Ausgleichszahlungen überhaupt wünschenswert sind, weil wir aus österreichischer Sicht ja einen ganz guten Saldo haben, was Studierendenmobilität betrifft. Viele Österreicherinnen und Österreicher gehen ins Ausland, und es kommen viele für ein Semester oder länger nach Österreich. Das Thema sind ja jene Studierenden, die in Ermangelung eines Studienplatzes nach Österreich ausweichen, und das sind praktisch ausschließlich Deutsche. Da müsste man die Dinge differenzierter betrachten, statt sie zu vermischen und dann aus meiner Sicht zu einer falschen Lösung zu kommen.

Standard: Gerald Bast, Rektor der Uni für angewandte Kunst, hat im Standard-Interview einen Vorschlag gemacht, der Ihr Ressort betrifft. Österreich solle versuchen, Geld aus dem EU-Strukturfonds, den Sie verwalten, für Studienplätze zu holen. Dieser Fonds sei ja dazu da, regionale Ungleichgewichte auszugleichen. Ist das eine mögliche Geldquelle?

Hahn: Auch ein Rektor ist nicht davor gefeit, sich weiterbilden zu müssen, und dann wird er feststellen, dass die Strukturfonds grundsätzlich nicht dazu da sind, etwas auf Dauer zu finanzieren, sondern nur eine Anschubfinanzierung, etwa in Form von Investitionszuschüssen, zu geben. Daher schließt sich das einmal systemisch aus. Von da ist kein Geld für Studienplätze in Österreich zu erwarten. Ich möchte aber in der nächsten Finanzperiode aus den Strukturfondsgeldern Linien bereitstellen, um etwa die Unternehmensgründung in Form eines Spin-offs an den Universitäten zu unterstützen. So könnte man eine wichtige Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft schaffen und die ökonomische Verwertung wissenschaftliche Erkenntnisse durch die Unis fördern. Der angelsächsische Bereich ist da weit voraus.

Standard: Was sagen Sie zur Arbeit Ihres Nachnachfolgers Karlheinz Töchterle?

Hahn: Er setzt die richtigen Maßnahmen, und das völlig unaufgeregt, das imponiert mir.

Standard: Trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass wie bei Ihnen, danach bei Beatrix Karl und jetzt auch bei Karlheinz Töchterle, Wissenschaftsminister in Österreich quasi eine One-(Wo-)Man-Show ist, die die Regierung und die Parteien wenig bis gar nicht kratzt.

Hahn: Tja, das ist richtig. Wenn man das Bedürfnis nach Einsamkeit in der Politik hat, ist das ein interessanter Posten. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD; Printausgabe, 26.8.2011)