Rechtzeitig vor dem großen Karneval von Notting Hill an diesem Wochenende ist auf Londons Straßen wieder Ruhe eingekehrt. Die Hauptstädter beäugten einander noch tagelang ähnlich misstrauisch wie 2005 nach den Selbstmordattentaten von Islamisten. Damit ist es erstmal wieder vorbei. Beruhigt hat sich auch die an Hysterie grenzende Reaktion von Politik und Justiz. Dass Magistratsgerichte rund um die Uhr tagten und viele Jungplünderer aus dem Verkehr zogen, war auf dem Höhepunkt der Krawalle richtig. Jahrelange Haft aufgrund nicht befolgter Krawallaufrufe auf Facebook für zuvor unbescholtene junge Leute ist aber unverhältnismäßig.

Übers Ziel hinaus schossen im ersten Eifer auch Premier David Cameron und seine Innenministerin Theresa May. Die konservativen Politiker verwechselten die Macho-Pose eines Halbstarken mit sichtbarer politischer Führung, die im Medien-Zeitalter unabdingbar ist. Unter anderem drohte Cameron im Stil eines chinesischen Kommunisten mit der Abschaltung sämtlicher sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter.

Solcher Unsinn ist vom Tisch. Kein Zweifel: Im Einzelfall muss die demokratisch geleitete Polizei die Bürgerrechte notorischer Straftäter oder von Fußball-Hooligans einschränken. Deshalb aber Millionen gesetzestreuen Bürgern den freien Meinungsaustausch zu beschneiden wäre eine schlimme Überreaktion. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2011)