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Adipositas im Anmarsch? Weniger Marketing, mehr Chili könnte helfen.

Foto: APA/Bernd Thissen

Alpbach - Capsaicin ist ein Teufelszeug mit unerwarteten Wirkungen. Der in den Chilischoten enthaltene Stoff ist nämlich nicht nur verdammt scharf, sondern sättigt auch noch. Wisssenschafter haben das bei Tests mit grünem Tee herausgefunden, der mit Capsaicin kombiniert wurde. Nach zehn Tagen nahm die tägliche Energieaufnahme bei den Versuchspersonen um immerhin 15 bis 20 Prozent ab.

Chili ist dennoch kein adäquates Mittel gegen Fettleibigkeit, sagte die Ernährungsphysiologin Veronika Somoza im Alpbacher Universitätenforum zum Thema Lebensmittelqualität. "Das wäre wohl nicht jedermanns Sache."

Das Beispiel würde nur zeigen, dass man bei der Suche nach Methoden gegen die weltweit überhandnehmende Fettleibigkeit auch an natürliche Aromastoffe denken sollte, die zum Lebensmittel gemischt einen erhöhten Sättigungsgrad bewirken. Der Bedarf an neuen Lösungsansätzen ist jedenfalls gegeben, wie Somoza mit Zahlen belegte: 20 Prozent der Erwachsenen, sieben Prozent der Kinder seien adipös.

Soziale Unterstützung

Mit der altbekannten Methode, den Patienten aufzufordern, sich gesünder zu ernähren und mehr Sport zu betreiben, hatte man keinen Erfolg. Das bestätigte auch der Diabetologe Thomas Pieber von der Med-Uni Graz, der mehr soziale Unterstützung für fettleibige Menschen forderte. Pieber sieht schon in der Schule Defizite. Die Ernährung werde im Unterricht zu wenig thematisiert. Und das offenbar schon seit Generationen, wie Daten über den Bildungsstand der Erwachsenen zum Thema Ernährung und Lebensmittel beweisen. Martin Wagner, Lebensmittelmikrobiologe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien erzählte, dass laut einer Umfrage 65 Prozent die Radioaktivität für die größte Herausforderung beim Thema "Lebensmittelsicherheit" halten und die tatsächlich größte Herausforderung, die Gefahr eines Mikrobenbefalls, unterschätzen. 40 Prozent kosten sogar rohes Faschiertes.

Wolfgang Wagner, Sozial- und Wirtschaftspsychologe an der Kepler-Uni Linz, erwähnte eine Eurobarometer-Umfrage, wonach viele Europäer nicht wissen, wie Gene funktionieren. Und daher glauben, dass gentechnisch modifizierte Organismen Gene enthalten, natürliche Organismen nicht.

Pieber kritisierte nicht nur das Bildungs-, sondern auch das Verkehrssystem. Es gebe zu wenig Radwege und zu unsichere Schulwege in den Städten. Der Mediziner schlug eine Einschränkung des Marketings für industrielle Lebensmittel und "fiskalische Maßnahmen" vor. Höhere Steuern auf ungesundes Essen werden in anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Dänemark schon seit einiger Zeit diskutiert.

Über das gegenteilige Problem der mangelhaften Versorgung sprach unter anderem Andreas Farnleitner, Leiter des Interuniversitären Kooperationszentrums "Wasser und Gesundheit" an der TU Wien. Etwa eine Milliarde Menschen habe keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, sagte der Wissenschafter. Das "wichtigste Lebensmittel" sei mikrobiologisch besonders gut untersucht, dennoch würde man mit der Risikoabschätzung von Trinkwasser erst am Anfang stehen. Viele Faktoren wie das Verhalten bei der Nutzung seien bisher zu wenig beleuchtet. Auch dabei könnte es zu einer Kontaminierung mit Mikroben kommen. (Peter Illetschko, DER STANDARD Printausgabe, 25.08.2011)