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Manager als Weichensteller: Kreativität und Erfahrung sowie Analyse und Systematistierung. Immer wieder wird deutlich, wie wesentlich es ist, zwischenmenschliche Kontakte inner- und außerhalb der Organisation zu pflegen, wie dem Manager aus diesen Kontakten das Material für seine Tätigkeit zufließt.

Foto: AP/dapd/Lang

"Manager raus aus den Büros!", fordert Henry Mintzberg, "Nicht bloß vorbeischauen, sondern dorthin gehen, wo sich das Schicksal der Organisation entscheidet." "Sich mit den Füßen in den Schlamm stellen", wird ein von ihm begleiteter Manager zitiert. Henry Mintzberg, der vom "Wall Street Journal" auf Platz neun, von Unternehmensberater Tom Peters gar an die Spitze der einflussreichsten Managementvordenker gereiht wird, hinterfragt fast drei Jahrzehnte nach seinem revolutionären und prägenden Erstlingswerk "The Nature of Managerial Work", in dem er exzerptionell den Alltag von fünf CEOs beschrieb, die Gültigkeit seiner damals aufgestellten Thesen und Gesetze. Das "Managen" titulierte Werk beruht auf je einem Arbeitstag, den Mintzberg mit 29 Führungskräften aus höchst unterschiedlichen Branchen verbracht hat. Die Ausgewählten repräsentieren aber nicht nur den üblichen Typus der Manager; unter ihnen sind auch eine Oberschwester, der Leiter eines Naturparks und der Chef einer internationalen Non-Profit-Organisation. Die Erfahrungen, das Feedback der begleiteten Manager und Mintzbergs Analyse bilden Herzstück und Basis des Werkes.

Managen durchleuchtet den Job des Managens; dessen Dynamik, Vielfalt und Rätsel - und wie Manager ihn effektiv und gut beherrschen. "Managen ist eine dynamische Tätigkeit, keine statische Wissenschaft." Mintzberg dekuvriert, dass Manager oft als überlegte und systematische Planer idealisiert werden, diesem Anspruch oft aber gar nicht gerecht werden (können). Er skizziert Management als dynamischen Prozess und ortet als Hauptproblem das "Distanzierungsdilemma" - die Distanz zum Gros der Mitarbeiter und der Praxis des Daily Business.

"Management Policy"

Der 1939 in Kanada Geborene hat mehr als 140 Artikel und zehn Bücher über Management und Strategie verfasst. Sein deklariertes Ziel war, ein lehrbares Fach "Management Policy" zu etablieren: Zeugnis dafür legen wesentliche Werke über Strategie, Organisationslehre und Allgemeines Management ab. Für seine Verdienste um die Bildung in Kanada wurde er 1998 zum Officer of the Order of Canada und Officier de l'ordre national du Québec ernannt. Zudem ist er Ehrendoktor 15 internationaler Universitäten. Trotzdem gilt Mintzberg als Enfant terrible unter den Managementvordenkern. Eine seiner provokanten Thesen lautet: "Management und Leadership sind Bestandteile des gleichen Jobs. Manager, die keine Leader sind, sind langweilig. Und Leader, die nicht managen, wissen nichts vom Geschäft. Die Trennung von Management und Leadership ist Unsinn."

Mintzberg analysiert die Veränderungen des Managements anhand der ständigen Erreichbarkeit aufgrund moderner elektronischer Kommunikationsmittel. Dieser Wandel beeinflusst das Tagesgeschäft enorm. Dennoch hat sich, laut Mintzberg, das Wesen des Managements nicht wirklich verändert. Alle Manager müssten Strategien entwerfen, ihre Zeitressourcen im Griff haben und ihre Mitarbeiter motivieren. Managen beantwortet die wichtigsten Fragen des Managements und hebt die oft zitierte Trennung zwischen Managen und Führen auf.

Manageralltag

Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel plus Appendix. Klar strukturiert, in verständlicher Diktion, mit vielen Übersichten und Grafiken schildert der Autor bodenständig die wesentlichen Aspekte des Manageralltags. Mintzberg, Professor an der McGill University in Montreal, pflegt dabei die lockere Ich-Form in seiner Darstellung - wie Tom Peters, Stephen R. Covey, Danny Miller und viele andere prominente angloamerikanische Management-Autoren.

Ein virtuelles Dreieck von Kreativität, handwerklicher Erfahrung und wissenschaftlicher Analyse dient Mintzberg zur Systematisierung der von Managern zum Zweck des Problemlösens vollzogenen Handlungen. Immer wieder wird deutlich, wie viele zwischenmenschliche Kontakte inner- und außerhalb der Organisation zu pflegen sind und wie dem Manager aus diesen Kontakten das Material für seine Tätigkeit zufließt.

De facto formuliert Mintzberg folgende pointiert luzide Conclusio: "Um ein fähiger Manager zu werden, braucht man keine einzigartige Begabung, dafür aber emotionale Gesundheit, klaren Verstand und - ganz unheroisch - Bescheidenheit." Und nicht zuletzt: Man sollte "vom MBA-Studium und von Leadership-Moden verschont geblieben" sein. (Gregor Auenhammer/DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.8.2011)