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Medieninteresse am Haus der Innviertler Familie.

Foto: AP/Rudolf Brandstaetter

Wien - Für den Umgang mit sensationsträchtigen Missbrauchs(verdachts)fällen wie dem durch einen Zeitungssartikel zuletzt publik gewordenen im Innviertel hat die Opferanwältin Eva Plaz einen Vorschlag: Um die Opfer zu schützen, solle die Berichterstattung voll und ganz unterbleiben. "Das Einzige von öffentlichem Interesse ist die Urteilsverkündung", sagt sie zum STANDARD. Im Fall Amstetten vertrat Plaz mit einem Kollegen die Interessen der Frau und der Kinder des Täters Josef F.

Als "Positivbeispiel" nennt Plaz Großbritannien, wo Gerichte das Recht haben, den Medien in besonders schwerwiegenden Fällen hohe Geldstrafen anzudrohen, so sie über den Fall berichten. Oft werde diese Maßnahme aber nicht angewandt.

Doch immerhin könne sie verhindern, dass zur Befriedigung der Sensationsgier Beschuldigten- und Opfernamen verbreitet, Betroffene von Journalisten belagert und Wohnungseinrichtungen abgefilmt werden, meint die Anwältin. Denn: "So etwas kann Existenzen vernichten."

Einigermaßen geglückte Versuche, schwere Missbrauchsfälle der medialen Vermarktung zu entziehen, sind auch aus Deutschland bekannt. So wurde heuer im Februar der Fall eines 48-jährigen Familienvaters aus dem Westerwald, der mit seiner Stieftochter sieben Kinder gezeugt haben soll, erst fünf Tage vor Prozessstart öffentlich bekannt. Aufdeckung und Anklageerhebung waren den Medien verborgen geblieben.

Recht der Öffentlichkeit auf Information und Opferrechte

Einen völligen Nachrichtenstopp befürwortet die Medienanwältin Maria Windhager (sie vertritt auch den STANDARD) in Österreich nicht. Das Recht der Öffentlichkeit auf Information werde jedoch wichtiger als die Opferrechte genommen, kritisiert sie.

Das zeige sich auch im aktuellen Innviertler Fall, in dem veröffentlichte Fotos des Hauses der Familie und Wortspenden von Lokalpolitikern und -behördenvertretern die Sensationsmaschine anheizten. Der Persönlichkeitsschutz der mutmaßlichen Opfer gerate ins Hintertreffen.

Zwar habe es nach dem "Fall Amstetten" mit voller Namensnennung des später verurteilten Josef F. und Paparazzi-Belagerung von Frau und Kindern eine Phase des Nachdenkens gegeben. Doch einer Parlamentsenquete im Jahr 2008 und einem Ministerialentwurf für eine Strafrechts- und Mediengesetzänderung im Jahr 2009 folgte - nichts. Und, so Windhager: "Jüngste Entscheidungen des Oberlandesgerichts im Fall Amstetten werten das Informationsrecht allein wieder auf."

Mediennovelle muss warten 

Der Mediengesetzentwurf würde unter anderem Strafen für Paparazzi-Aufnahmen sowie höhere Entschädigungszahlungen bei Verletzung von Opfer-Persönlichkeitsrechten vorsehen. Für die jetzige Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) zählt ein Beschluss aber "nicht zu den Prioritäten", wie ihre Sprecherin mitteilte. (Irene Brickner, DER STANDARD; Printausgabe, 27./28.8.2011)