Wien - Ohne die Gründe dafür zu nennen, veröffentlichte die Whistleblower-Plattform Wikileaks am Donnerstag 97.115 neue US-Depeschen, zur freien Verwendung. In den letzten Monaten wurden immer wieder Dokumente in kleiner Tranchen publiziert, was allerdings auf beschränktes Interesse der Medien stieß. Diese wühlen eher anlassbezogen in den Archiven.

Nebst vielen belanglosen Aufzeichnungen können mit etwas Geduld einige Besonderheiten zu Tage gefördert werden: Verglichen mit seinem Vater sei der syrische Präsident Bashar al-Assad weit weniger scharfsinnig. Er würde ebenso auf abstrakte Diplomatie setzen, die nur das Ziel verfolge "jegliches Infragestellen oder Bewerten der syrischen Politik" in Frustration verpuffen zu lassen. Assads Selbstdarstellung lasse darauf schließen, er sehe sich als "Philosophen-König" . Seine Eitelkeit sei die Achilles-Ferse des selbsternannten "Perikles von Damaskus" , lautet das Urteil der US-amerikanischen Diplomaten noch im Sommer 2009. Sein Vertrauen zu gewinnen sei zeitaufwendig, aber aussichtsreich. Syrische Beamte, heißt es weiter, würden "alle und in jeder Position schamlos lügen" - selbst angesichts von Gegenbeweisen.

Den Vorwürfen, der österreichische Konzern für Anlagenbau Andritz AG würde dem Iran Technologie für dessen Nuklear-Industrie liefern, habe die österreichische Bundesregierung wie auch das Unternehmen widersprochen, heißt es in einem Geheim-Bericht. Allerdings sei Andritz von der Regierung gewarnt worden nicht nach Drittstaaten als Zwischenlager für entsprechende Exporte Ausschau zu halten.

Österreich würde die US-amerikanischen Ambitionen für eine neue Regierung in Afghanistan mittragen, kann einem weiteren Vermerk entnommen werden. Sowohl Amtsinhaber Hamid Karsai, als auch sein Mitstreiter, der damalige Außenminister Abdullah Abdullah hätten 2009 Wahlbetrug begangen, gab Bernhard Zimburg, Leiter der Asienabteilung im Außenministerium, zu Protokoll.

In einer Depesche von Dezember 2005 wird auch die Ernennung von Standard-Redakteurin Gudrun Harrer zur Sondergesandten der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Irak behandelt. Der Bericht ist neutral bis freundlich, aber auch ein Beleg für Ungenauigkeit: Harrer hat nicht "mehrere" , sondern nur ein Buch zum Irak geschrieben und hat auch nicht, wie behauptet, seit 2004 als Nahost-Beraterin von Ministerin Ursula Plassnik fungiert. Auch das Verhältnis zur US-Botschaft war nicht gerade "nah" : Die US-Diplomatie in Wien war über Harrers Skepsis zur US-Politik im Irak nicht erfreut. (Julia Herrnböck /DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2011)