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Die Nachbarn schauen weg - die Medien hin.

Foto: APA/MANFRED FESL

Wieder hat jahrzehntelang niemand etwas bemerkt, wieder war der Nachbar zwar zurückgezogen, aber eigentlich nicht negativ aufgefallen. Wieder hat niemand etwas gewusst, dass der Patriarch seine Frau unten gehalten hat, niemand wunderte sich, dass die behinderten Töchter kaum jemals zu sehen waren.

Wieder führte sich die Behörde auf wie die verkörperte Ahnungslosigkeit und bürokratische Indolenz. Wieder versagte in diesem speziellen Fall die soziale Kontrolle, die in kleineren Städten und Orten doch meist so penetrant funktioniert.

Man kann dieses Verhalten der sonst so oft beschworenen "Gemeinschaft" mit einem spezifisch österreichischen Hang zum Verdrängen und Verleugnen zu erklären versuchen; mit den Mechanismen einer Gesellschaft, in der echter Bürgermut meist nicht belohnt, sondern bestraft wird und in der niemand "Scherereien haben will".

Auch in anderen Gesellschaften mit längerer demokratischer Tradition und intensiverer Bürgerbeteiligung passiert derlei. Aber die Verhaltensweise des Wegschauens und Wegduckens ist gerade bei uns durch die lange obrigkeitsstaatliche und diktatorische Tradition vielleicht doch tiefer verwurzelt. Vielleicht ist wenigstens jetzt eine offene Debatte möglich. Vielleicht macht der Bürgermeister oder der Pfarrer eine Versammlung, in der solche Dinge einmal offen diskutiert werden. Es wäre vielleicht ein Weg der Bewältigung. (DER STANDARD-Printausgabe, 27./28.8.2011)