Berlin - Die FDP will an Außenminister Guido Westerwelle trotz seiner umstrittenen Haltung im Libyen-Konflikt festhalten. Darauf verständigten sich nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag die Spitzen der Partei. Für FDP-Chef Philipp Rösler komme eine Ablösung Westerwelles nicht infrage.

Der deutsche Außenminister habe mit seinem Lob für den Einsatz der NATO in Libyen spät, aber nicht zu spät eingelenkt, hieß es. Rösler habe mit seiner inhaltlichen Distanzierung in der Libyen-Frage den Unmut vieler Parteifreunde über Westerwelle klar zum Ausdruck gebracht.

Westerwelle hatte den Erfolg der Rebellen in Tripolis auch mit der von Deutschland unterstützten Sanktionspolitik begründet - nicht aber mit dem NATO-Einsatz, an dem sich Deutschland nach einer Enthaltung um UN-Sicherheitsrat nicht beteiligt hatte. Daraufhin hatte sich Rösler in einem Interview distanziert: "Unser tiefer Respekt und unsere Dankbarkeit gelten auch unseren Verbündeten, die Gaddafis Mordeinheiten entscheidend in den Arm gefallen sind."

Am Wochenende lobte auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der "Bild am Sonntag" den NATO-Einsatz: "Wir stehen fest zu unseren Verbündeten und zur NATO, für deren Einsatz ich tiefen Respekt habe."

Westerwelle sah sich angesichts des zunehmenden Drucks und der deutlichen Distanzierungen zur Kehrtwende gezwungen. In der "Welt am Sonntag" sprach nun auch er von "Respekt" für die NATO. "Wir sind froh, dass es den Libyern auch mit Hilfe des internationalen Militäreinsatzes gelungen ist, das Gaddafi-Regime zu stürzen", schrieb Westerwelle in einem Gastbeitrag.

Einen Plan, Westerwelle noch vor oder direkt nach den Kommunal- und Landtagswahlen in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zum Rücktritt zu drängen, gebe es nicht, machte Rösler intern deutlich. Offen ist, ob auf der Herbstklausur der FDP-Fraktion von diesem Dienstag bis Donnerstag auf Schloss Bensberg bei Köln die Personalie Westerwelle noch einmal hochkocht.

Der Unmut in der FDP über Westerwelle ist groß. Auf dem Rostocker Parteitag im Mai - wo Rösler nach zehn Westerwelle-Jahren den Vorsitz übernahm - sei dem Außenminister aufgrund seiner großen Verdienste für die Partei eine zweite Chance eingeräumt worden. Inzwischen laute die Einschätzung in der Partei: "Wir sind bereits im Bereich der dritten Chance."

Nach Angaben aus FDP-Kreisen versuchten Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und andere in den vergangenen Tagen eindringlich, Westerwelle zu einem eindeutigen NATO-Lob zu bewegen. Immerhin sei Westerwelle nun mit seinem Zeitungsbeitrag eingelenkt und habe den Einsatz der Alliierten beim siegreichen Rebellen-Aufstand gegen das Gaddafi-Regime gewürdigt.

Als mögliche Nachfolgekandidaten für den Außenminister-Posten wurden seit längerem parteiintern Westerwelles Staatsminister Werner Hoyer, der Brüsseler Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff und Entwicklungsminister Dirk Niebel gehandelt.

Am Montag wird Westerwelle sich auch gegenüber den NATO-Partnern positionieren müssen: In Berlin findet eine Botschafterkonferenz zum Thema "Deutschland in den Vereinten Nationen" statt, an der auch sein französischer Amtskollege Alain Juppé teilnimmt. Frankreich hatte sich intensiv am Libyen-Einsatz beteiligt, Westerwelle wies aber den Eindruck von Verstimmungen im deutsch-französischen Verhältnis wegen der deutschen Enthaltung zurück.

Merkel bekräftigte die Bereitschaft, beim Wiederaufbau zu helfen: "Wenn nun ein neues Libyen aufgebaut wird, wird Deutschland selbstverständlich unterstützend daran teilhaben."

Der frühere grüne Außenminister Joschka Fischer stellte Westerwelle und der Bundesregierung im "Spiegel" ein verheerendes Zeugnis aus. "Das Verhalten der Bundesregierung im Libyen-Konflikt mit der Enthaltung im UNO-Sicherheitsrat ist ein einziges Debakel, vielleicht das größte außenpolitische Debakel seit Gründung der Bundesrepublik", sagt Fischer, der von 1998 bis 2005 Deutschlands Interessen im Ausland vertrat. "Die Position unseres Landes in der Welt wurde wesentlich beschädigt." Westerwelle habe die westlichen Partner vor den Kopf gestoßen zu haben.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der "Rheinischen Post", es sei würdelos, dass Westerwelle so tue, "als ob seine damaligen Entscheidungen zum Sturz von Gaddafi geführt haben." (APA)