In der Dauerkrise der Weltwirtschaft ist die Maxime des großen Philosophen Karl Popper mehr denn je gültig, wonach wir, weil "die offene Zukunft unabsehbare und moralisch gänzlich verschiedene Möglichkeiten" für uns bereithält, nicht die Frage in den Mittelpunkt stellen sollten, "Was wird kommen?" , sondern die Frage: "Was sollen wir tun?"

Die Führungsqualität der Politiker bleibt gerade deshalb in einer vernetzten Welt nach wie vor ein viel diskutiertes Thema. Politologen und Historiker meinten, Führungskrise sei die Folge der Mittelmäßigkeit oder Unverantwortlichkeit der Machthaber. Barbara Tuchman schrieb in ihrem berühmten Buch über Die Torheit der Regierenden: "Von Torheit kann man erst dort sprechen, wo uneinsichtig an einer Politik festgehalten wird, die nachweislich unwirksam ist oder direkt gegen die eigenen Zielen arbeitet."

Die Weltwirtschaft ist aus den Fugen geraten, und weltweite Umfragen bestätigen das Misstrauen der eigenen Bevölkerung gegenüber der jeweiligen politischen Elite. Besonders unheimlich wirkt die gleichzeitige Vertrauenskrise, wenn es sich um solche demokratisch regierten Schlüsselstaaten handelt wie die USA, Deutschland und Japan. Zweieinhalb Jahre nach seiner Wahl läuft Barack Obama, der erste afroamerikanische Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten, Gefahr, ein "one-term president" zu werden, ein Versager, der durch sein Zaudern und Zögern die Unterstützung der städtischen Liberalen, der Arbeiter, der schwarzen und hispanischen Amerikaner, der Umweltschützer und der Jungen bei der Wahl im November 2008 weitgehend verloren hat. Der 50-jährige Obama ist nicht mehr die Lichtgestalt bei dem erhofften Aufbruch in eine neue Zeit, sondern ein Politiker, der durch seinen Zick-Zack-Kurs und durch faule Kompromisse in der Wirtschafts-, Finanz- und Gesellschaftspolitik die (freilich überzogenen) Erwartungen seiner Anhänger tief enttäuscht hat.

Noch schlimmer ist die Führungsschwäche in Japan, in der Demokratie mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Nach dem erzwungenen Rücktritt des Ministerpräsidenten Naoto Kan hat die seit zwei Jahren regierende Demokratische Partei diese Woche einen Nachfolger gewählt, der der sechste Regierungschef Japans in nur fünf Jahren ist.

Kan, der als Hoffnungsträger aus der Bürgerbewegung erst im Juni 2010 zum Ministerpräsidenten bestellt wurde, scheiterte nicht nur wegen der kritisierten Versäumnisse nach der Atomkatastrophe von Fukushima, sondern vor allem am Widerstand der eigenen Partei und der Regierungsbürokratie.

Auch die "mächtigste Frau der Welt" (Forbes Magazin), nämlich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, ringt wegen ihres langen Zögerns in der Europa- und Wirtschaftspolitik und nach Querschüssen aus der eigenen Partei mit sinkenden Zustimmungswerten und den Folgen unbarmherziger Medienangriffe. Trotzdem betrachten die meisten ausländischen Beobachter (auch ich) die protestantische Pastorentochter aus der früheren DDR als eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Geschichte und als einen Glücksfall auch für das demokratische Europa. Ihr Scheitern wäre ein folgenschwerer Rückschlag mit dramatischen Folgen für die Europapolitik. /DER STANDARD, Printausgabe, 30.7.2011)