Giulio Tremonti ist der zweifellos mächtigste, aber unbeliebteste Minister der italienischen Regierung. Die Zahl seiner parteiinternen Gegner kann der Finanzminister längst nicht mehr zählen. Er sei "ein Fall für den Psychiater", ätzte Staatssekretär Guido Crosetto. Hartnäckig stemmt sich Tremonti gegen die Absicht des eigenen Kabinetts, das jüngste Sparpaket der Regierung zu verwässern: Es müsse gespart werden.
Die entscheidende Kraftprobe ging am Montag in Silvio Berlusconis Villa in Arcore bei Mailand über die Bühne: Dort sollten sich der Premier, Lega-Chef Umberto Bossi und Tremonti über die umstrittenen Abstriche an dem Paket verständigen. Der Chef der Regierungspartei PdL, Angelino Alfano, warnte Tremonti: "Wenn er sich querlegt, sehe ich schwarz." Ein Rücktritt des 63-Jährigen würde in der Regierungskoalition bejubelt werden, dürfte aber in der EU als Alarmsignal interpretiert werden.
Eiserner Sparmeister
Als Kassenwart hatte Tremonti in den vergangenen Jahren auf Budgetdisziplin gepocht und die Etats seiner Ministerkollegen mehrmals drastisch gekürzt. Dass Tremonti ein enges Verhältnis zur Lega Nord pflegt, macht ihn in den Augen der Regierungspartei noch verdächtiger. Und zuletzt galt sogar seine Beziehung zu Berlusconi als belastet. Der Finanzminister lehnt vor allem die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer ab.
Nach zweiwöchigem Gerangel lief am Montagabend im Senat die Frist zur Einbringung von Änderungsanträgen am Sparpaket ab. Dabei hatte sich die Lega allen Versuchen des PdL für eine Pensionsreform widersetzt.
Die Chefin des Industriellenverbandes, Emma Marcegaglia, sparte nicht mit Kritik. Die Regierung habe "nur bei der Erfindung neuer Steuern Phantasie bewiesen".
Auch Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, der eine Sondersteuer für Reiche fordert, stellt der Regierung ein schlechtes Zeugnis aus. Seinen mehrmals angekündigten Einstieg in die Politik kündigte Montezemolo für kommendes Jahr an. Fiat-Chef Sergio Marchionne will ihn dabei unterstützen. Nach Umfragen könnte Montezemolo dem "Dritten Pol" um Gianfranco Fini und Pier Ferdinando Casini zu einem Stimmenanteil von 20 Prozent verhelfen.
Berlusconis PdL ist indes auf einen Tiefststand von 22 Prozent abgesackt. Die Lega liegt bei acht Prozent. (Gerhard Mumelter aus Rom /DER STANDARD, Printausgabe, 30.8.2011)