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Wien - Basel III, das ist für die Regierungschefs der G-20 und die Chefs der weltgrößten Zentralbanken die Antwort auf die größte Finanzkrise der Nachkriegszeit. Das Regelwerk wird ab 2013 umgesetzt und hält Banken dazu an, mehr Eigenkapital zu halten. Das soll sie sicherer machen. Das Ziel ist nicht weniger, als Finanzkrisen wie 2008 künftig zu verhindern.

An einer Stelle hat der Basler Ausschuss für Bankaufsicht bei Reformen gezögert: Staatsanleihen werden in Basel III trotz der aktuellen Schuldenkrisen als die risikoärmsten Wertpapiere behandelt. Alle Anleihen, die ein Rating von über AA haben, müssen nicht mit Eigenkapital hinterlegt werden. Bis A- sind es 20 Prozent Risikogewicht.

Und die Aufseher sind noch einen Schritt weiter gegangen. Längst betrifft die Regulierung nicht nur die Kapitalausstattung der Banken, auch die Liquiditätssituation will der Basler Ausschuss sicherer machen. So müssen die Banken hoch liquide Wertpapiere halten, um eine "Liquidity Coverage Ratio" und die "Net Stable Funding Ratio" zu erfüllen: Erstere zielt auf die ausreichende Liquidität des Instituts ab, zweitere auf die Refinanzierung im Stressfall. Beide haben gemeinsam: Staatspapiere gelten als die sichersten Wertpapiere. Wegen der positiven Bewertung von Staatsanleihen als liquide Instrumente, müssen Banken für ihre Staatspapiere sogar weniger Eigenkapital halten als vor der Krise, haben Experten der Unternehmensberatung McKinsey errechnet.

Die britische Wochenzeitung Economist vergleicht diese Behandlung der Staatsanleihen mit der Phase der "finanziellen Repression" von 1945 bis 1980. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten Industriestaaten ähnlich hohe Schulden gehabt wie heute. Die Ökonomen Carmen Reinhart vom Peterson Institute for International Economics und Belen Sbrancia von der Universität Maryland haben in einem jüngsten Papier ("The Liquidation of Government Debt") argumentiert, dass sich die Schuldner mithilfe von negativen Realzins problemlos entschulden konnten. Zwischen 1945 und 1980 sei der reale Zins auf Staatenanleihen (Nominalzins minus Inflation) in 50 Prozent der Fälle negativ gewesen, so Reinhart und Sbrancia.

Angesichts relativ niedriger Inflationsraten ist das heute kaum eine Option. Hingegen können Regierungen die Staatsanleihen für Investoren wie Pensionsfonds oder Banken durch neue Regeln möglichst attraktiv machen.

Die Kritik an der Bevorzugung von Staatsanleihen durch Basel III wächst. Michael Pomerleano, Berater der Bank of Israel und ehemaliger Mitarbeiter der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS), hat in einem Text für die Financial Times gewarnt: Bis 2016 könnte Basel III mit der günstigen Behandlung von Staatsbonds "die Voraussetzungen für eine neue Systemkrise - dieses Mal wegen Staatsanleihen - schaffen". Weil selbst kleine Verluste auf große Staatsanleihenportfolios das Eigenkapital von Banken ausradieren könnten. In Österreich hat sich Erste-Group-Chef Andreas Treichl darüber beschwert, dass Banken für Griechenland-Anleihen weniger Kapital hinterlegen müssten als für Kredite an mittelständische Unternehmen.

Zuletzt hat auch die BIS auf die Kritik reagiert. Eine Gruppe an Notenbankern, angeführt von Fabio Panetta (Banca d'Italia), hat im Juli Reformvorschläge präsentiert, um das Risiko von Staatsanleihen für das Finanzsystem in den Griff zu bekommen ("The impact of sovereign credit risk on bank funding conditions"). Einer der Vorschläge: Banken sollten ihr Staatsanleihenportfolio diversifizieren, um sich unabhängiger von der eigenen Regierung zu machen.

Nicht mehr angemessen?

Wenn es die Staaten nicht schaffen, rasch ihre Schulden in den Griff zu bekommen, schlägt die Forschungsgruppe radikalere Schritte vor: "Aufsichtsbehörden sollten jene Regularien genau prüfen, die Banken den starken Anreiz geben, große Mengen an Staatsanleihen zu halten." Angesichts der Schuldenkrise in zahlreichen Industriestaaten sei "die bevorzugte Behandlung von Staatsschulden relativ zu privaten Schulden weniger angemessen". (Lukas Sustala  DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.7.2011)