Ljubisa Tosic

Wien - Musiktheater bei den Wiener Festwochen - auch eine Form der Defizitbeseitigung. Die Programmierung verweist heuer mit Cavallis La Calisto darauf, dass die Barockoper seit langem einen Bogen um die Hauptstadt macht. Und wenn eine zehn Jahre alte Grazer Aïda demnächst ins Theater an der Wien einzieht, darf man dies als Hinweis darauf deuten, dass ein Peter Konwitschny hier noch nie inszeniert hat.

Ob das die Programmierung rechtfertigt, ist eine diskussionswürdige, lösbare Frage. Welches Wiener Defizit indes die Klagenfurter Madame Butterfly schließt, ist hingegen viel schwerer zu ergründen. Dietmar Pflegerls präzise und bis auf eine Flammenszene poetisch-dezente Arbeit aus dem Jahre 2001 war zweifellos eine Reise nach Kärnten wert - unter Mitnahme zahlreicher Taschentücher. Hätte sie ihrerseits die Reise nach Wien nicht angetreten - von einem großen Verlust würde man nicht sprechen wollen. Sicher: Die genaue Figurenzeichnung bis in die kleinsten Rollenwinkel hinein, danach packt einen hier an der Donau schon sehr oft die Sehnsucht.

Allein, das Problem bei einer Oper ist ja unter anderem, dass sie mächtig viele heikle Töne aufweist, die man nicht nur singen, sondern auch mit adäquatem Ausdruck würzen sollte. Und da sind wir schon an den Grenzen der Sinnhaftigkeit dieses Klagenfurter Besuches angelangt; denn auf der Suche nach dem Besonderen wurde man mit leeren Händen heimgeschickt. So hätte man von Cio-Cio-San doch gerne jene spezifische Mischung aus Lyrik und Dramatik vernommen.

Die sympathische und rollengerecht agierende Seo Hye-Yeon verfügt allerdings über keinerlei stimmlichen Zauber, dafür aber über markdurchdringende, etwas verbraucht vibrierende Spitzentöne, die man sicher bis nach Klagenfurt gehört hat. Ist eine Hauptrolle dermaßen besetzt, spielt es dann keine rettende Rolle mehr, was sich an den vokalen Nebenschauplätzen tut. Aber auch da tat sich ja nur Solides.

Damit meint man Julia Kim (als Suzuki), Evan Bowers (als Pinkerton) und Andrew Golder (als Sharpless). Damit meint man auch die Wiener Symphoniker unter Marc Piollet, die sich routiniert um einen süffigen Tonfall bemühten, an manchen Stellen leider lautstärkemäßig die Dimensionen des kleinen Hauses sprengten. Erstaunlicherweise lag allerdings auch der Applaus für alle Beteiligten im Dreifach-Forte-Bereich.