Ex-Miss Austria Tanja Duhovich beim "Flug zum Schnee 2011" mit Stefan Eberharter

Foto: Thomas Rottenberg

"Flug zum Schnee 2011": Tanja Duhovich (schwarzer Anorak) mit Onka Takats, Oliver Vogt und Manfred Ainedter

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"X-Jam 2011" VIP-Zone am Strand: Tanja Duhovich, Christine Reiler

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"Missen", sagte G. und warf mir die Sonntagsummantelung von "Österreich" zu, "schreib was über Missen - und über den Sinn des Missenwesens." G. ist nämlich überzeugt: Missen sind die billigere Alternative zu Models. Sie haben darüber hinaus auch Namen - und sie sind Siegerinnen. Zumindest glauben sie das selbst, fügte G. dann mit einem kleinen, fiesen Grinsen hinzu.

Auf dem Sonntagsmantel prangte eine Miss. Ein Tuch um den Nacken, abgesehen davon ziemlich nackt. Das Tuch war wie ein Seil eingedreht und bedeckte gerade die Brustwarzen. G. schnaubte: Wie man bloß auf die Idee kommen könne, Animalprints für ein Shooting zu nehmen... Animalprints?, fragte ich - und entging nur knapp einem Häferlwurf, bevor G. sich in Selbstkritik übte: Wie habe sie bloß vergessen können, dass ich - qua Gender - keine Zehntelsekunde auf das Muster des Tuches ... und so weiter.

Verlobungsfoto

Die Miss am Cover der Zeitung, las ich, würde heiraten. Irgendeinen Millionär. Und im Blattinneren würde mir vom Liebesglück anderer Missen erzählt werden. Schon beim Weiterblättern hatte ich vergessen, welche Miss am Cover posiert hatte.

Es ist noch gar nicht lange her, dass Missen tatsächlich keine Rolle spielten: Sie wurden gewählt - und waren vergessen. Niemand, nicht einmal Ex-Missen, zuckten mit der Wimper, wenn man sagte, dass bei Misswahlen Mädchen anträten, die entweder zu klein und zu pummelig für Modelagenturen wäre - oder/und aber nicht über das intellektuelle Rüstzeug verfügten, zu übernasern, dass ein Disco-Schaulaufen im Bikini vor Herren mit Goldketterln, nicht zwingend auf das Cover der Vogue führt. Nicht einmal, wenn man sich für persönliche "Interviews" für Juroren hinter den Kulissen hergibt.

Im Prinzip waren Misswahlen damals das, was Castingshows heute sind - bloß auf einem einfacheren Niveau: Ein derber Spaß fürs Publikum - mit Kandidatinnen, die die krausesten Versprechungen glauben. Schließlich wurde aus Lena Gercke ja auch ein Supermodel.

Langzeitglanz

Heute ist das anders. Missen werden, auch "danach", gerne gezeigt - und in der Liga der B- und C-Berühmtheiten mitunter eigens gebucht, um einem Event "Glanz" (also TV-Präsenz) zu verleihen. Ex-Missen kennt man heute in Seitenblickeland. Schuld daran ist nicht alleine Wolfgang Fellners Faible dafür, Ex-Missen (unabhängig von ihrer echten Ausbildung) als Marketing- oder sonstige Assistentinnen zu beschäftigen, sie als Promotionköpfe einzusetzen und mitunter Ratgeber schreiben zu lassen, die dann tatsächlich zu Büchern erklärt werden.

Wirklich schuld ist nämlich ein anderer: Markus Rogan. Erst als der Schwimmer offensiv mit seiner Miss Austria, Christine Reiler, in jedem Adabei-Pool planschte, erkannten die Medien den Nutzen von Missen. Und dann den von Ex-Missen: Nett, pflegeleicht, ohne nervig-professionelle Agenturen im Hintergrund waren sie als Mädels von nebenan verkaufbar. Und darüber hinaus dankbar für jedes Blitzlicht, das ihren Eintagsfliegenruhm länger halten ließ. Christine Reiler erkannte rasch, wie man das Etikett "Traumpaar" nutzen konnte - und schaffte mit Biss, präzisem Lobbying bei den richtigen Leuten und dem Glück, dass damals gerade die medialen Adabei-Volumina explodierten, während die Kopfzahl konstant blieb, was ihren Vorgängerinnen nicht gelungen war: Den Sprung vom Add-On zur eigenen Identität.

Sicher: Reilers Begleiterinnen-Kolumne von den Olympischen Spielen aus Peking im Kurier war oft ungewollt originell. Aber darum geht es nicht: Sie war der Eisbrecher für eine Gattung von B-Promis. Ulla Weigerstorfer? Nein, der Verweis auf die ehemalige Miss World, gilt nicht: Weigerstorfers Karriere (Tohuwabohu, Stronach, Austria 9) baute nicht ausschließlich auf die Seitenblicke.

Professionell

Was Reilers Wirken erwähnenswert macht: Der Marketing- und Bandwaggon-Effekt. Die Ex-Miss und Neo-Medizinerin verdient bis heute ein zumindest gutes Taschengeld mit dem Titel von einst. Und nimmt die damit verbundenen Verpflichtungen und diskreten Nebenabsprachen sehr ernst: Ihre gute Laune verfliegt rasch, wenn sie - obwohl ganz eindeutig als Fotoaufputz gebucht/eingeladen/mitgenommen - statt auf gestellten und inszenierten Fotos, in authentischen, ihr nicht genehmen Reportagefotos zu sehen ist. Und zwar keineswegs in verfänglichen Posen, sondern in Allerwelts-Situationen: Derlei, erregt sie sich, sei nicht üblich.

Um Reiler nicht Unrecht zu tun: Ihre Kolleginnen sind da keinen Deut anders und in der Öffentlichkeit nicht anders inszeniert, drapiert und choreografiert: Die gleichen Fotografen stellen sie in den immer gleichen Posen auf. Der (Hinter)-Grund variiert - oft aber nur ein kleinwenig: Der PR-Charakter ist aber immer gegeben.

In jeder Hinsicht günstig

Die Missen kümmert das nicht. Sie haben Spaß und dürfen dabei sein - und kosten (vermutlich) weniger als Hostessen oder gar echte Models. Ihr Benefit: Durch die Öffentlichkeit bleiben ihre Namen und Gesichter bekannt - und das erhöht die Chance, länger in diesem Spiel dabei sein zu dürfen. Eine Win-Win-Situation.

Auch für die Medien: Einfach nur hübsche, aber namenlose Mädchen neben wichtige Männer oder deren Firmenlogos zu stellen, geht heute aus Gender- und PC-Gründen nicht mehr. Models Namen zu geben, hieße aber, dass man auch erklären müsste, wieso sie plötzlich mehr als Dekomaterial sind - bei Missen ist das nicht notwendig. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 30.8.2011)