Washington - Vor rund 65 Jahren haben US-Wissenschafter in Guatemala medizinische Versuche an der lokalen Bevölkerung, an Soldaten und an Gefängnisinsassen, darunter auch psychisch Kranken, unternommen. Bekannt geworden sind die Experimente im vergangenen Jahr, als die College-Professorin Susan Reverby durch Zufall in einem Archiv Dokumente darüber entdeckte.

Nun ist eine Untersuchungskommission zu dem Ergebnis gekommen, dass dabei insgesamt mindestens 83 Menschen getötet worden sind. Rund 5.500 Testpersonen seien den Experimenten ausgesetzt gewesen, sagte ein Mitglied des von US-Präsident Barack Obama eingesetzten Gremiums am Montag bei der Vorstellung vorläufiger Untersuchungsergebnisse.

Der Arzt John Cutler hatte in den 1940er Jahren in Guatemala an 1.500 Menschen untersucht, ob mit dem damals noch neuen Wirkstoff Penizillin Geschlechtskrankheiten behandelt werden konnten. Für die Studie wählten Cutler und sein Team besonders gefährdete Menschen aus, darunter psychisch Kranke. Sie klärten die Beteiligten nicht über ihr Vorgehen und die möglichen Folgen auf.

Absichtlich angesteckt

Zunächst infizierten die US-Ärzte Prostituierte mit den Geschlechtskrankheiten Tripper oder Syphillis, dann ermunterten sie die Frauen zu ungeschütztem Sex mit Soldaten oder Gefängnisinsassen. Weil sich nur wenige Männer ansteckten, infizierten die Ärzte Soldaten, Gefängnisinsassen sowie psychisch Kranke schließlich direkt mit den Krankheiten.

Die Studie wurde vom Panamerikanischen Gesundheitsbüro, das später in Panamerikanische Gesundheitsorganisation umbenannt wurde, vorgenommen. Finanziert wurde die Untersuchung von den Nationalen Gesundheitsinstituten (NIH). Deren heutiger Leiter Francis Collins nannte das Geschehene "zutiefst verstörend" und "ein entsetzliches Beispiel für das dunkle Kapitel in der Geschichte der Medizin". Senator Robert Menendez vom hispanischen Ausschuss des US-Kongresses sprach von einem der "dunkelsten Momente" in der Geschichte der USA. "Kein unschuldiger Mitmensch, egal welcher Herkunft, sollte wie eine Laborratte behandelt werden."

Offizielle Entschuldigung

Die Studie war nie veröffentlicht worden. Der verantwortliche Arzt Cutler war auch an der umstrittenen Tuskegee-Syphillis-Studie an hunderten Afroamerikanern beteiligt. Für sie wurden zwischen 1932 und 1972 an Syphillis erkrankte schwarze US-Bürger nicht medizinisch behandelt.

US-Präsident Obama und seine Regierung hatten sich im Oktober offiziell bei Guatemala für die Menschenversuche entschuldigt. Einen Monat später setzte Obama die Untersuchungskommission ein, um die Vorgänge von damals aufzuklären. (red/APA)