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Zum jüngsten Koalitionskrach wegen der Wehrpflicht gab Verteidigungsminister Darabos das Unschuldslamm: "Ich habe niemanden provozieren wollen."

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Provokation gelungen - Kontrahent sieht rot: Wegen der jüngsten Drohungen der SPÖ zur Abschaffung der Wehrpflicht ist die ÖVP mittlerweile auf 180. Am Dienstag beim Ministerrat machen die Schwarzen ihrem Zorn und Groll über das Ansinnen von Verteidigungsminister Norbert Darabos Luft, aus einzelnen Dienststellen und Einheiten des Bundesheeres schon einmal probehalber die Grundwehrdiener abzuziehen.

Auftritt von Klubchef Karlheinz Kopf. Laut beschwert er sich vor der Regierungssitzung: "Er schlägt nicht vor, er kündigt an! Ich weiß nicht, was in die SPÖ gefahren ist. Mir geht das langsam auf den Geist, wenn sich Partner nicht an Vereinbarungen halten." Mit seinem Vorgehen bewege sich Darabos "völlig abseits" des Regierungsübereinkommens. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hält empört fest, dass das Bundesheer "kein Labor für Experimente" sei.

Keine zehn Meter davon entfernt gibt der rote Verteidigungsminister das Unschuldslamm. "Dass die Emotionen so hochschwappen, habe ich nicht zu verantworten", sagt Darabos in sanftem Ton. Und versichert: "Ich habe niemanden provozieren wollen." Um dann gleich zu seinen Pilotprojekten zur Abschaffung der Wehrpflicht nachzulegen: "Hat man vielleicht Angst davor, dass es funktioniert?" Dazu zitiert der Minister ostentativ aus einem großen schwarzen Buch, dem Bericht der einstigen Bundesheer-Reformkommission: "Die Gliederung des Bundesheeres 2010 ist so zu gestalten, dass spätere Entwicklungen, etwa auch die Aussetzung der Wehrpflicht und die Umstellung auf ein Freiwilligenheer, möglich sind."

Schwarze Blockaden

Darabos weiß die SPÖ-Spitze hinter sich. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat soeben über den Kurier verlauten lassen, dass er sich nicht nur über das Bundesheer (Volksbefragung) und die Bildung (Volksbegehren), sondern auch noch über die Vermögenssteuer einen Volksentscheid vorstellen kann, sollte die ÖVP auch da weiterhin blockieren.

Eine knappe Stunde später. Nach dem Ministerrat treten der rote Kanzler und sein schwarzer Vize vor die Presse. Werner Faymann (SPÖ) referiert seelenruhig über die Instrumente der direkten Demokratie - und dass man diese eben auch einsetzen kann. Dazu gibt es ein bisschen Geschichtsglitterung: Als letztmöglichen Zeitpunkt für eine Volksbefragung über die Wehrpflicht habe er den Wahltag 2013 genannt, sagt Faymann, und: "Ich hätte das aber noch gerne in dieser Legislaturperiode."

Rote Drohgebärden

Im Frühjahr hörte sich das noch anders an. Damals versprach der Kanzler, dass er erst am Wahltag ein Plebiszit zum Präsenzdienst herbeiführen wolle.

Michael Spindelegger (ÖVP) reagiert ungewöhnlich heftig - wenn auch zunächst nur auf Häupls Ultimaten: "Ich lasse mir von niemanden drohen! Und daher weise ich eine solche Drohung auch schärfstens zurück."

Faymann besänftigend: "Ein Volksbegehren ist für mich keine Drohung an sich." Aber es stehe Spindelegger "völlig frei", so der Kanzler großzügig, sich von einem Plebiszit zu distanzieren.

Doch jetzt will Spindelegger das letzte Wort haben. Richtung Darabos hält er fest: "Klar ist, dass wir eine Bundesverfassung haben, in der es ganz klar eine Wehrpflicht gibt." Zuletzt erklärt er noch in Richtung Kanzler: "Ich halte viel davon, dass eine Bundesregierung regiert." (Nina Weißensteiner, STANDARD-Printausgabe, 31.8.2011)