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Rom - Dass Italiens größter Magnat eine Reichensteuer verabscheut, kann kaum verwundern. Doch dass sich Silvio Berlusconi am Montag im siebenstündigen Tauziehen ums Sparpaket durchsetzen konnte, gilt eher als Überraschung. Die vorgesehene "Solidarabgabe" für Besserverdienende wurde abgeschafft, die erwartete Erhöhung der Mehrwertsteuer blieb aus. Ohne Steuererhöhungen sei das Sparpaket "wesentlich ausgeglichener", freute sich Berlusconi.

Die Wirtschaftszeitung Il sole 24 ore benötigte nur wenige Stunden, um einen Fehlbetrag von "mindestens vier Milliarden Euro" zu entdecken. Nach Angaben der Notenbank fehlen "rund fünf Milliarden" auf die geforderte Endsumme von 45 Milliarden. Zudem wirkten sich die Maßnahmen "restriktiv" auf die Wirtschaft aus, warnte Vizedirektor Ignazio Visco.

Weniger Politiker

Die Tageszeitung La Stampa sprach von einem "dilettantischen Flickwerk", der Corriere von einer "Bastelei finanzieller Heimwerker": "eine Unzahl kleiner Einzelmaßnahmen, die ständig ausgetauscht werden". Berlusconi lobte den Mut des Rechtsbündnisses, "die exzessiven Kosten der Politik drastisch zu senken". Doch die beschlossene Reduzierung der Parlamentarier von 945 auf 473 sowie die Auflösung aller Provinzen können nur nach langwierigen Verfassungsänderungen durchgeführt werden.

Offen ist, wie viel die schärfere Bekämpfung der auf jährlich 120 Milliarden geschätzten Steuerhinterziehung bringt. Pier Luigi Bersani vom Partito Democratico sprach von "Totalchaos", der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini von einem "kläglichen Kompromiss". Nach zweiwöchigem Gefeilsche musste die Lega Nord von ihrem Veto gegen jede Pensionsreform abrücken.

Militärdienst und Studienjahre werden in Zukunft bei der Berechnung des Pensionsalters nicht berücksichtigt. Die Abschaffung kleiner Gemeinden wurde nach dem Protestmarsch von 2000 Bürgermeistern in Mailand wieder aufgehoben, die drastischen Budgetkürzungen um zwei Milliarden reduziert.

Bei Zigaretten und Glücksspiel langt der Staat in Zukunft kräftiger zu. Il sole 24 ore sieht in der Endlosdiskussion um das Sparpaket "einen Tanz am Rande des Abgrunds". Der Internationale Währungsfonds halbierte am Montag die Wachstumsprognose Italiens für 2012 auf 0,7 Prozent.

Der Konsum der Italiener ist auf den Stand von 2000 zurückgefallen. "Europa und die Märkte werden uns nichts nachsehen", warnte die Zeitung. Nun beginnt im Senat das Gezerre um über 600 Abänderungsanträge. Die Lega Nord etwa will Fußballer zu einer "doppelten Solidarabgabe" zwingen. Die Lieblinge der Nation hatten sich unbeliebt gemacht, weil sie die Reichensteuer auf ihre Klubs abwälzen wollten. Da sie ihre Gehaltsforderungen nicht durchsetzen konnten, ließen sie am Sonntag zudem die erste Meisterschaftsrunde platzen. Freilich widersetzen sich nicht alle Vermögenden einer Reichensteuer. Ferrari-Chef Luca di Montezemolo forderte die Regierung auf, die Besitzer "von Vermögen zwischen fünf und zehn Millionen Euro mit einer einmaligen Sondersteuer zu belasten." (Gerhard Mumelter, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 31.8.2011)