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Achtgeben im Schilderwald: Ein höherer Anteil an Radfahrern, Fußgehern und Öffi-Nutzern soll das wachsende Verkehrschaos lichten.

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2,5 Millionen Menschen werden bis zum Jahr 2050 in Wien leben. Auch für das Umland ist ein starker Bevölkerungszuwachs prognostiziert - was auch mit einem Anschwellen der Pendlerströme einhergehen wird. Schon heute pendeln 500.000 Menschen in die Bundeshauptstadt, zwei Drittel davon mit dem Pkw, wie Wiens Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou bei den Alpbacher Technologiegesprächen vorrechnete.

Das stetige Bevölkerungswachstum der Städte stellt die urbane Verkehrsabwicklung vor neue Herausforderungen. Darüber waren sich die Teilnehmer des Arbeitskreises "Die Zukunft der urbanen Mobilität" einig. Dazu, wie sie gemeistert werden können, gibt es mehrere Vorstellungen, die von politischen Maßnahmen über Algorithmen zur Verkehrsoptimierung bis hin zu schlanken Fahrzeugen reichen.

Car-Sharing und Citymaut

Um die Stadt trotz verstärkten Verkehrsaufkommens als Lebensraum attraktiv zu halten, setzt Maria Vassilakou auf eine Erhöhung des Fußgänger- und Radfahreranteils sowie auf Car-Sharing, das im Zuge des Projekts "e-mobility on demand" erneut forciert wird. Martin Krajcsir von den Wiener Stadtwerken präsentierte das Konzept einer Mobilitätskarte, mit der sämtliche öffentliche Verkehrsmittel genauso verwendet werden können wie die Car-Sharing-Angebote. Schon heute trägt der öffentliche Verkehr in Wien mit 36 Prozent knapp den Hauptanteil des Gesamtverkehrsaufkommens. (Mit 31 Prozent folgt das Auto, 28 Prozent fallen auf Fußgänger, fünf Prozent wird von Radfahrern bestritten.) Mit einem verbesserten Angebot will man den Öffi-Anteil auf 40 Prozent steigern.

Die Wunschvorstellung Vassilakous wäre sowieso eine autofreie Innere Stadt beziehungsweise eine Citymaut. Allerdings, so Vassilakou: "Der Mut der Stadt Wien reicht derzeit gerade bis zur Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung." Dabei hänge die Akzeptanz einer Citymaut vor allem von der Art der Durchführung ab. "In Stockholm hat man zuerst vier Jahre lang die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut und dann eine Citymaut eingeführt. Ein weiteres Jahr später wurde über den Erhalt der Citymaut abgestimmt. Der Großteil der Bevölkerung befürwortete sie."

Einen Trend zur Citymaut sieht auch Erwin Toplak, Vorstandsmitglied der Kapsch AG. Alleine in Italien gibt es bereits 40 Städte mit Citymaut. "In Mailand ist die Bürgermeisterin mit einer Citymaut-Forderung in den Wahlkampf gezogen und hat gewonnen." Den Vorteil einer Citymaut liege darin, dass sie an die jeweiligen Bedürfnisse und Topologien einer Stadt angepasst werden kann. Das reicht von einer Einfahrtsbeschränkung bis zu einer emissionsabhängigen Vignette.

Für Katja Schechtner, Leiterin der Abteilung Dynamic Transportation Systems am Austrian Institute of Technology (AIT), ist der prognostizierte Zuwachs an Verkehrsteilnehmern - unabhängig von den politischen Maßnahmen - nur dann bewältigbar, wenn "das bestehende Mosaik an Verkehrsmitteln" besser genutzt werde. Denn den Ausbau der Verkehrsnetze sieht sie bald an eine Grenze angelangt.

Stromanalyse statt Stau

Schechtner analysiert in ihren Forschungsprojekten Verkehrsdaten und entwickelt Algorithmen, um die Verkehrsströme optimieren. Abhängig vom Start- und Zielpunkt, der Tageszeit und dem Transportgut werden verschiedene Verkehrsmittel und -wege berechnet. Die Algorithmen können bereits erfasste Daten genauso berücksichtigen wie Echtzeitdaten. Wenn beispielsweise Meldungen über einen unerwarteten Stau eingehen, wird sofort eine andere Route vorgeschlagen. "Natürlich bedeuten solche Optimierungen nicht, dass es nie wieder Stau geben wird", bleibt Schechtner realistisch, "aber sie können helfen, Energie und Zeit zu sparen."

Auf eine andere Strategie zur Lösung des Verkehrsproblems setzt der Designer Gerald Kiska, der abgespeckte Zwei- und Dreiräder entwickelt. "Die leichte Bauweise erhöht die Reichweite der Elektrofahrzeuge, und das schlanke Design lässt sie in der Stadt schneller vorankommen", sagt Kiska. Für ihn bedeutet das einen Austausch von Luxus gegen Zeit - wohl eine der größten Herausforderungen der Zukunft. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.08.2011)