Zwei von vielen Messgeräten: Der "Sun Tracker" streckt seine Fühler Richtung Sonne aus (oben). Im Angesicht des Großglockners wird der Niederschlag gemessen (unten).

Foto: Pumhösel
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Messtechniker Gerhard Schauer sieht im Observatorium jede Woche nach dem Rechten.

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Die Seilbahn wird gewartet, die Innenräume des Observatoriums umgebaut, Forscher aus Wien sind da und bei schönem Wetter viele Bergwanderer. Im Hochsommer ist es mit der Ruhe am Sonnblick vorbei. Da ist nichts zu ahnen von den Schwernissen und der Einsamkeit des Winters, wenn die Schutzhütte am Gipfel, das Zittelhaus, nicht besetzt ist und die jeweils zwei Beobachter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) höchstens ein paar Skitourengeher zu Gesicht bekommen. Dass ein 3000er kein ungefährlicher Arbeitsplatz ist, beweist der kürzliche Unfall zweier ZAMG-Mitarbeiter, die in eine Gletscherspalte fielen und verletzt wurden, als sie einem verunglückten Bergsteiger helfen wollten.

Der häufigste Besucher im "Obs" ist Gerhard Schauer. Als Messtechniker kommt er einmal pro Woche hinauf und kalibriert Messgeräte, hält die Computer am Laufen und repariert, was kaputt ist, "damit auch im Winter alles einwandfrei funktioniert". An die 500-mal war er schon heroben. Dieses Mal nimmt er sich ein Gerät vor, das das Verhältnis zwischen einfallender und reflektierter Strahlung messen soll, aber derzeit keine Daten liefert. Im Winter versorgt er die Beobachter sogar mit Lebensmitteln.

Hermann Scheer bleibt durchgehend für 15 Tage oben. Der Deutsche vertritt einen der vier fixen Beobachter, von denen immer jeweils zwei aus Salzburg und zwei aus Kärnten sind. Bei der Tätigkeit seien handwerkliche Fähigkeiten gefragt, erklärt der gelernte Gärtnermeister: "Wir müssen halt schauen, dass die Geräte laufen." Im Winter muss er die vielen Messgeräte frei von Reif und Schnee halten. Ab sieben Uhr morgens gibt er alle drei Stunden mündlich eine Wetterbeobachtung an den Standort in Salzburg durch. Die Augenbeobachtung ist trotz digitaler Messgeräte ein wichtiger Teil der Tätigkeit.

Dass er auch pünktlich vom Berg herunterkommt, ist nicht in Stein gemeißelt. "Der Dienstwechsel ist wetterabhängig." Wenn der Wind zu stark für die Seilbahn ist, muss er oben bleiben. Schlechtes Wetter sei nicht unbedingt die Ausnahme: Einmal habe er in 14 Tagen nur eine halbe Stunde Sonne gesehen, sagt Scheer. "Sonnblick" sei irreführend, der inoffizielle Name laute "Nebelblick".

Die Zeit, in der man hier oben ist, könne auch emotional belastend sein. Wenn man seinen Kollegen nicht leiden kann, wäre das ein Problem, sagt Scheer. Gemütliche Wohnräume mit Eckbank, Fernseher und Küchenzeile schaffen einen Gegenpol zur unwirtlichen Umgebung. Um zu duschen, muss zuerst Schnee in eine Auftauanlage geschaufelt werden. "Erst schwitzen, dann waschen", lautet die Devise.

Das Trinkwasser kommt mit der Seilbahn herauf. Das windanfällige Gerät ist für drei Personen zugelassen, Bergsteiger und Touristen werden nicht befördert. Die schwebende Holzkiste erreicht eine Neigung von 47 Grad. Den Höhenunterschied von 1500 Metern überbrückt ein 3125 Meter langes Seil. 2010 musste es erstmals nach einem Blitzeinschlag aufwändig gewechselt werden. Auch am Observatorium gebe es zig direkte Einschläge pro Jahr. Die Messung der elektrischen Feldstärke in der Luft soll die Beobachter rechtzeitig warnen.

Im Sommer sind auch die umliegenden Gletscher Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Glaziologe Bernhard Hynek kommt bepackt mit Dampfbohrer, Georadar und zentimetergenauem GPS herauf, um etwa Schichtenaufbau, Abschmelze und Gletscherbewegung zu messen. Auf einem Gipfel hat er eine automatische Kamera installiert, die die Ausaperung täglich fotografiert. Um die Fotos exakt auf dem digitalen Höhenmodell verorten zu können, müssen bestimmte Punkte am Gletscher sichtbar gemacht werden. Hyneks Lösung: rote Plastik-sackerln, die er am Gletscher verankert. Improvisation gehört dazu.

Gipfel wurde stabilisiert

Als klar wurde, dass der Rückgang des Permafrosts bis tief in den Berg reicht und die Stabilität des Gipfels beeinträchtigt, wurden in einer aufwändigen Aktion Stahlanker quer durchs Gestein gespannt, "um den Gipfel zusammenzuhalten". Die "Angst, dass der gesamte Gipfelbereich erodiert und in die Nordwand stürzt", sei gebannt, so Hynek.

Entscheidender Vorteil des Observatoriums ist die Lage im Abseits: "Wenn man die Luftverschmutzung in den Städten einschätzen will, muss man wissen, was die Basisbelastung ist", erklärt Schauer. Deshalb heizt sogar der Kachelofen im angrenzenden Zittelhaus mit Strom. "Sonst würde man den eigenen Hausbrand messen", erklärt Hynek. Hermann Scheer hat angesichts der Messdaten den Verdacht, dass in der vergangenen Nacht um 0.30 Uhr jemand auf der Terrasse geraucht hat. Die Kohlendioxid-Anzeige schlägt zu diesem Zeitpunkt aus.

Auch nach der Katastrophe von Tschernobyl haben in Österreich die Messgeräte auf dem Sonnblick als Erste angesprochen, erklärt Gerhard Schauer. Der Atomunfall in Japan sei auch messbar. Aber: "Die natürliche Schwankung der Radioaktivität ist größer, als alles, was aus Fukushima kommt." (DER STANDARD, Printausgabe, 31.08.2011)

=> Wissen: Über Wind und Wetter seit 1886

Wissen: Über Wind und Wetter seit 1886

1886 wurde auf 3106 Metern das Observatorium am Sonnblick errichtet. Seither gibt es eine durchgehende Temperaturzeitreihe. Im alten Turm werden noch Wind und Temperatur gemessen. Der heutige Bau stammt aus den 1980er-Jahren. Neben der ZAMG führen Umweltbundesamt, TU Wien, Uni Heidelberg, Boku und andere Einrichtungen Forschungsprojekte durch. Jeder Forscher kann Messungen beantragen. Neben den Wetterdaten werden Sonnen- und Infrarotstrahlung, Partikelbelastung (Feinstaub, Vulkanasche, Sand aus der Sahara), die Hintergrundbelastung bei Luftschadstoffen wie Kohlendioxid, das Verhalten des Permafrosts im Felsen und radioaktive Strahlung erhoben. Messgeräte werden auch getestet: Kürzlich absolvierte ein spezielles Radioaktivitätsmessgerät den Härtetest für Grönland. Anlässlich des Jubiläums gibt es mehrere Veranstaltungen. (pum)