Der Rechnungshof als Oberlehrer der Nation: Projekte wurden teurer, politische Vorgaben verwässert.

Illustration: Wilhelm Busch

Wien - Die Pensionsreform war ein Kernprojekt der Ära Schüssel - aber in der Rückschau stellt der Rechnungshof (RH) fest, dass das Vorhaben derartig verwässert wurde, dass das Pensionsalter entgegen den eigentlichen Plänen nicht gestiegen ist. Das Pensionskonto, das allen Versicherten Überblick über Beiträge und (zu erwartende) Leistungen verschaffen sollte, führt ein Stiefmütterchendasein.

Und das alles bei Kosten, die weit über den Erwartungen liegen. Konkret: Um die rund 5,1 Millionen Pensionskonten (90 Prozent davon bei der Pensionsversicherungsanstalt PVA) korrekt einzurichten, wurden von 2005 bis 2009 46,1 Millionen Euro ausgegeben - davon fast 40 Millionen für Personalkosten. Als der Großteil der Aufbauarbeit erledigt war, sollte wenigstens der Personalstand reduziert werden, aber das hat sich verzögert. 2009 waren noch 151 Mitarbeiter statt geplanten 109 in diesem Bereich tätig.

Nun könnte man meinen, dass dies besseres Service brächte - aber auch das ist laut RH eine Fehlanzeige: Das Pensionskonto, das eigentlich von jedem online abgerufen werden kann, wurde nur von 14.400 Versicherten überhaupt angeschaut. Denn für den Zugriff braucht man die Bürgerkarte - und diese ist wegen Streitigkeiten um Zuständigkeiten und Datenschutz nicht weit verbreitet.

Was wenige wissen: Man kann den Kontoauszug auch in Papierform beantragen - aber auch davon machten in den geprüften Jahren 2008 und 2009 nur 10.533 Personen Gebrauch - das waren 0,23 Prozent der 4,52 Millionen Konten bei der PVA.

Dabei anerkennt der Rechnungshof, dass die Grundsatzarbeiten für das Pensionskonto zeitgerecht und sogar unter den geplanten Kosten abgeschlossen werden konnten. Der Teufel steckt aber offenbar in den Details der Praxis.

Wobei das alles von einer generellen Entwicklung in den Schatten gestellt wird: Das wesentliche politische Ziel, die Österreicher nicht so früh in Pension gehen zu lassen, ist aufgrund der vielen Ausnahmen (die Hacklerregelung ist nur ein Beispiel, das Weiterwirken alter Rechtsbestände ein weiteres) völlig verfehlt worden.

O-Ton des Rechnungshofs: "Im Jahr 2009 lag das durchschnittliche Antrittsalter für alle Eigenpensionen (das sind Alterspensionen und krankheitsbedingte Pensionen) bei 59,1 Jahrn für Männer und 57,1 Jahren für Frauen. Der mit der Pensionssicherungsreform 2003 erwartete Anstieg des Antrittsalters zur Pensionsversicherung ist noch nicht eingetreten, im Gegenteil. Im Jahr 2009 gingen bereits 50,8 Prozent der weiblichen und 34,9 Prozent der männlichen Angestellten wegen psychiatrischer Erkrankungen vorzeitig in Pension."

Und: "38,3 Prozent der Männer gingen krankheitshalber im Durchschnittsalter von 53,6 Jahren in Pension."

Der Befund über die Sozialversicherung ist nur ein exemplarisch herausgegriffener Teil von insgesamt 15 Berichten, die der Rechnungshof am Mittwoch gelegt hat. Ein anderer Berichtsbereich betrifft die Immobilienverkäufe der Post und Telekom: "Vorgaben für eine einheitlich strukturierte Vorgangsweise zur Verwertung von Liegenschaften fehlten." So wurden etwa am Salzburger Bahnhof während laufender Projektentwicklungen Ziele geändert und Flächen freihändig verkauft. (Conrad Seidl, STANDARD-Printausgabe, 1.9.2011)