Ich gebe zu, dass ich als Linker nicht weiß, welche Partei ich 2013 wählen soll. Die SPÖ hat spätestens seit Alfred Gusenbauer alle ihre Prinzipien über Bord geworfen und ihre Wurzeln verraten. Sie begnügt sich mehr denn je damit, Steigbügelhalter der ÖVP zu sein - besser noch: ihnen die Räuberleiter zu machen. Die Grünen lassen alle wichtigen Themen der Zeit links liegen. Die Zeit, die "frau" nicht damit verbringt, sich an die Schwarzen anzubiedern, wird mit überflüssigen Diskussionen über Zigarettenautomaten und Schönheits-OPs verschwendet.
ÖVP mit FPÖ?
Trotz der regelmäßigen roten und grünen Unterwerfungsrituale ist nicht nur für Polit-Insider klar, was die ÖVP wirklich will. Spätestens seit Martin Bartenstein - der ja schon maßgeblich an der Bildung der ersten schwarz-blauen Regierung beteiligt war - wieder die politische Bühne betreten hat ist klar, dass die Schwarzen an einer neuen Koalition mit der FPÖ arbeiten. Ein weiterer Hinweis, den ich von Freunden aus diversen Parteien bekam: ÖVP und FPÖ arbeiten jetzt schon trotz rot-schwarzen Koalition zusammen und blockieren alles was von links kommen könnte. Und in vielen Bereichen sind ihre Wortmeldungen quasi deckungsgleich.
Bevor ich mich ausführlich der ÖVP widme, noch ein paar Worte zu den blauen Kameraden: Gerade bei ihnen kann man sehen, wie dringend es ist, dass Geldflüsse in der und rund um die Politik offen gelegt werden und ein Pateienfinanzierungsgesetz, das den Namen verdient, eingeführt wird. Unter anderem ist es doch immer wieder erstaunlich, dass die FPÖ offensichtlich die Mittel hat, Österreich mit ihren Plakaten zuzupflastern - was nicht einmal die Roten in Wien schaffen. Woher kommt das Geld? Private Spenden? Industrieellenvereinigung? Ausländische Machthaber? Besonders bei letzteren würde die blaue Doppelmoral perfekt sichtbar!
Staat als Selbstbedienungsladen
Aber zurück ins Inland: Langsam wird ja immer deutlicher, in welchem Umfang sich die "supersauberen" Polit-Freunde des verstorbenen Jörg Haider die Taschen vollgestopft und auch ihre Freunde versorgt haben. Es ist schon richtig, dass auch Rot und Schwarz den Staat gelegentlich als Selbstbedienungsladen gesehen haben (auch bei den Schwarzen sind eine Reihe von Politikern unangenehm aufgefallen, dazu später) und die Grünen es wohl nur noch nicht getan haben, weil sie noch keine Gelegenheit hatten. Aber die Schnelligkeit und Brutalität mit der die Partei der "kleinen Leute" den Futtertrog erobert hat, ist schon erwähnenswert - wenn auch nicht überraschend.
Nun zu den Schwarzen: Es greift zu kurz, die ÖVP als Partei der Reichen und Superreichen hinzustellen, auch wenn erstaunlich viele ÖVP-Politiker in der Rangliste der reichsten Bürger dieses Landes auftauchen. Viele von ihnen sind Anhänger der Chicagoer Schule rund um Milton Friedmann, der bekanntermaßen der Vater des Neoliberalismus gilt. Wolfgang Schüssel bekennt sich dazu, Bewunderer von Margareth Thatcher zu sein, die erstmals den Neoliberalismus auf europäischen Boden verwirklichte. Zuvor wurde er mit Hilfe der "Chicagoer Boys" in diversen - von den USA unterstützen - Diktaturen in Süd- und Lateinamerika und in China (China ist keine kommunistische sondern eine neoliberale Diktatur!) verwirklicht, später dann auch in Russland und Polen. Kennzeichen sind immer eine möglichst weitgehende Deregulierung der Märkte, Abbau der Sozialstandards sowie brutale Privatisierungen - immer mit dem gleichen Erfolg: Weite Teile der Bevölkerung verarmen, während eine neue, super-reiche Elite entsteht.
Neoliberales Programm in Österreich
Auch in Österreich wollten Wolfgang Schüssel und viele andere ÖVP-Politiker das neoliberale Programm verwirklichen, was mit der SPÖ aber nicht möglich war, die hätte nämlich noch schneller noch mehr Wähler verloren. Die Alternative tat sich 1999 auf: Die FPÖ - machthungrig, der ÖVP ideologisch näher als die SPÖ und zu allem bereit - scharrte in den Startlöchern. Es kam wie es kommen sollte: Mit einer Mischung aus Hurra-Patriotismus und neoliberaler Ideologie begann Schwarz-Blau mit Sozialabbau, Deregulierungen und Privatisierungen - staatliches Eigentum wurde oft für ein Butterbrot an politische Freunde verscherbelt. Dazu kam 9/11, eine Chance, die ungeliebten Bürgerrechte nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und daher auch in Österreich zu beschneiden. Doch es gab Widerstand - nicht nur die Donnerstagsdemos, auch Gewerkschaften legten sich quer.
Chance auf Schwarz-Blau II
Aber jetzt gibt es ja die Chance auf Blau-Schwarz II, die Chance, dort weiterzumachen, wo man das letzte Mal durch Wahlen gestoppt wurde. Auch wenn viele Anhänger der Chicagoer Schule in wichtigen Positionen (IWF, WTO, Weltbank) inzwischen erkannt haben, dass ihre Ideologie viel verbrannte Erde, Elend und Hunger hinterlassen hat - in Österreich hat sich das noch nicht herumgesprochen. Es ist nun an den Menschen in diesem Land, zu entscheiden, wie es weitergeht. Derzeit ist die politische Situation trist, viele wünschen sich eine Alternative. Eine neue Koalition ist aber keine Alternative, sie würde nur viele Menschen in die Verelendung stürzen. (Leser-Kommentar, Björn Bartmann, derStandard.at, 8.9.2011)