Wien - Entgegen der ÖVP-Parteilinie spricht sich der Vorsitzende der Christgewerkschafter (FCG), Norbert Schnedl, für eine Diskussion über die von der SPÖ geforderte Vermögenssteuer aus. Aufgrund vieler offener Fragen und zu erwartender Probleme bei der Umsetzung sei er zwar skeptisch, "es muss aber möglich sein, seriös darüber zu diskutieren", sagte der FCG-Chef im Interview mit der APA.

Der ÖGB-Vizepräsident macht darauf aufmerksam, dass man im Falle der von der SPÖ vorgeschlagenen Besteuerung von Privatvermögen ab einer Million Euro nicht nur einen Kapitalabfluss von großen Vermögen verhindern müsste, sondern "es müsste auch das Bankgeheimnis fallen, was wir sicher nicht wollen." Andernfalls wäre die Steuer auf Spareinlagen und Wertpapiere nicht vollziehbar. Außerdem müsste nach Ansicht Schnedls auch geklärt werden, ob die Grenze von einer Million für Einzelpersonen oder als Haushaltsvermögen gelten solle, letzteres sei wohl ein "sehr antiquierter Zugang" der sozialdemokratischen Kollegen im ÖGB (die rote Mehrheit im ÖGB fordert eine Vermögenssteuer ab einer Grenze von 700.000 Euro Haushaltsvermögen) und daher ablehnen. Zudem stelle sich die Frage, was alles einbezogen werden soll - Sparbuch, Aktien, Schmuck, Goldbarren, Haus, Grundstück, Kunstsammlung etc. - und wer dann die Kontrolle und Bewertung vornimmt. Diese offenen Fragen müssten von der SPÖ erst beantwortet werden, damit man eine seriöse Diskussion führen könne, meinte Schnedl.

"Völlig falsch" ist für den FCG-Vorsitzenden aber auch der von der SPÖ vermittelte Eindruck, man könne mit einer Vermögenssteuer das gesamte Budget sanieren. Er plädiert daher dafür, weg von der "populistischen Debatte" und hin zu einer Gesamtbetrachtung und zu einer Neuausrichtung des Steuersystems zu kommen.

Schnedl schlägt dazu eine wesentlich flachere Progression und eine Anhebung des faktischen Spitzensteuersatzes vor. Für besonders hohe Einkommen, etwa ab 100.000 Euro pro Jahr, sollte die Steuerbegünstigung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld fallen. Damit würde der Spitzensteuersatz für Einkommensteile ab 100.000 Euro von derzeit de facto 43 Prozent auf den nominellen Satz von 50 Prozent ansteigen. Diesen Spitzensteuersatz von 50 Prozent würde der FCG-Vorsitzende nicht verändern, die anderen Steuersätze, inklusive des Eingangssatzes von 36,5 Prozent will er hingegen senken. Wichtig ist ihm vor allem eine Entlastung des Mittelstandes.

Auch in der Frage der Gruppenbesteuerung steht der FCG-Chef eher auf der Linie der SPÖ als auf jener der ÖVP. Er fordert hier "so rasch wie möglich" Einschränkungen. Konkret sollten die Verluste von Konzernen nur noch innerhalb der EU mit Gewinnen im Inland gegengerechnet werden können. Wenn man etwa Verluste in Kasachstan anrechnen könne, dann könne man den Steuersatz von 25 Prozent "nach Belieben nach unten senken." Rasch umsetzen will Schnedl auch eine Finanztransaktionssteuer. Hier müsse man nicht auf die gesamte EU warten, "es reicht schon wenn zwei oder drei Große dabei sind".

Heftige Kritik übt der ÖGB-Vizepräsident an der Forderung der Industriellen-Vereinigung, mittels Verwaltungsreform und Privatisierungen bis zu sieben Milliarden Euro einzusparen. Schnedl verweist dazu auf die Unternehmens-Förderungen, die mit 5,4 Prozent des BIP etwa doppelt so hoch seien als der EU-Schnitt. Eine Annäherung an dieses Niveau würde ebenfalls sieben Milliarden bringen, allerdings ohne Belastung der Arbeitnehmer. (APA)