13. November 1921: Das österreichische Bundesheer marschiert durch den St. Margarethener Römersteinbruch.

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4. September 2011: Der Bundespräsident und der Bundeskanzler gratulieren zum Geburtstag.

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... auch und vor allem dazu, dass das Burgenland sich vom Armenhaus zu einer europäischen Modellregion gemausert hat.

Am Sonntag feierte das Burgenland, und zwar Geburtstag, wie die Redner bei der Festsitzung im Eisenstädter Landhaus meinten. Aber das ist ein wenig unscharf. Bundespräsident Heinz Fischer – ein Kenner des Landes – nannte das Werden von Österreichs jüngstem Bundesland denn auch "dramatische Geburtsvorgänge", die sich Ende August, Anfang September 1921 beinahe zum Krieg zuspitzten.

Die Geburtsvorgänge dauerten drei Jahre, vom Kriegsende bis zum 16. Dezember 1921, als mit der Volksabstimmung in Sopron/Ödenburg die logische Hauptstadt des Landes bei Ungarn blieb und das Burgenland seine irrwitzige geografische Gestalt erhielt.

Ursprünglich war das Burgenland nicht viel mehr als das Hirngespinst einiger Deutschnationaler, weshalb die FPÖ im Landtagswahlkampf des Vorjahres auch mit einiger Berechtigung mit einem wirklich fundierten Buch hausieren ging, in dem das Entstehen des Landes penibel erzählt wird.

Der magyarische Sprachraum, der im Osten durch Siebenbürgen begrenzt wird, sollte im Westen an einem Vierbürgen oder Vierburgenland sein Ende finden. Die deutschsprachigen Gebiete der vier ungarischen Komitate Pressburg (Pozsony, Bratislava), Wieselburg (Moson), Ödenburg (Sopron) und Eisenburg (Vasvár) sollten zu einem Bestandteil der jungen Republik Österreich werden. 1989 schrieb der gelernte Historiker Fred Sinowatz, der erste Burgenländer an der Staatsspitze, immer noch beeindruckt: "Wahrlich ein dramatisches Geschehen in diesen drei Jahren des Werdens des Burgenlandes und eine gewaltige Veränderung im Leben der Menschen ... Ein politischer Szenenwechsel, so plötzlich und aufregend, wie kaum sonstwo!"

Und im September 1921 gefährlich nah am sogenannten Waffengang. Vom 28. bis zum 31. August besetzte österreichische Gendarmerie das neue Land, kurz darauf schlugen ungarische Freischärler-Verbände zurück. In der niederösterreichischen Buckligen Welt kam es am 5. September zum sogenannten "Kirchschlager Gefecht", bei dem das österreichische Bundesheer sieben Tote und 15 zum Teil schwer Verwundete beklagte. Drei Tage später griffen die Ungarn die in Agendorf, dem heutigen Ágfalva, stationierten österreichischen Gendarmen an.

Einen Krieg freilich konnten weder Ungarn noch Österreich in Kauf nehmen. Italien lud die Streitparteien nach Venedig zu Verhandlungen. Deren wichtigstes Ergebnis war der österreichische Verzicht auf Ödenburg bei gleichzeitiger Anerkennung des Burgenlandes durch Ungarn. Der Historiker Gerald Schlag zitiert in seinem hochspannenden Buch Aus Trümmern geboren. Burgenland 1918-1921 eine anonyme Wiener Denkschrift, in der es warnend hieß:"Wenn die Abstimmung doch zu unseren Gunsten ausfiele, dann kriegen wir vom Burgenland gar nichts."

Die Volksabstimmung in Ödenburg vom 14. bis zum 16. Dezember 1921 ging also auch aus österreichischer Sicht nicht daneben. Nur aus burgenländischer. Denn als Land ohne Hauptstadt erwarb sich der Neuankömmling bald einen gediegenen Ruf als rückständiger, hinterwäldlerischer Landstrich, zumal die Menschen darin durch den vorherigen Magyarisierungsdruck ihre Muttersprache nur in der jeweiligen Dialektvariante beherrschten. Es hat also einen tiefen historischen Grund, dass Landeshauptmann Hans Niessl bei der sonntägigen Festsitzung besonders unterstrich, dass das aktuelle Burgenland die höchste Maturantenquote Österreichs aufweist.

Nicht nur das, aber das eben auch belegt, dass das Land sich gemausert hat. Vor allem die vergangenen 20 Jahre seit dem Fall des alles beherrschenden Eisernen Vorhangs hat sich das Burgenland, beschleunigt durch Brüsseler Förderung, in die Moderne katapultiert. Auch deshalb, weil die Landespolitik bei aller Differenz im Detail sich in den Grundsatzfragen im Wesentlichen einig war und ist.

Auch, was den Umgang der Volksgruppen untereinander betrifft, den alle am Sonntag so gelobt haben. Als letztes kamen die Roma in den Genuss des Wahrgenommenwerdens. Als der Bundespräsident darauf zu sprechen kam, blickte er hinauf zur Zuschauertribüne. Dort saß einer der großen Männer dieses Landes: Rudolf Sarközi, geboren 1944 im Konzentrationslager Lackenbach. (Wolfgang Weisgram, STANDARD-Printausgabe, 5.9.2011)