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Österreich kann und wird Deutschland im Winter mit Strom aushelfen, sollte es zu Versorgungsengpässen kommen. Hilfe aus anderen Ländern ist nicht möglich, weil Transportleitungen fehlen.

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Verbund & Co wollen im Winter verhindern, dass deutsche Haushalte frieren - durch Reaktivierung eingemotteter Kraftwerke. Die Unterstützung des Ausstiegs aus der Atomkraft verschlechtert aber die Klimabilanz.

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Wien - Begonnen hat alles mit einem Schreiben. Absender des im Sommer bei Stromerzeugern in Österreich eingelangten Briefs war die Bundesnetzagentur in Bonn. Die Behörde, vergleichbar mit der heimischen E-Control, wollte vorfühlen, inwieweit österreichische Energieversorger bei einem plötzlichen Engpass in Deutschland aushelfen könnten. Die Antwort fiel positiv aus. Nun wird für den Ernstfall geprobt.

Grund dafür ist der von der schwarz-gelben Koalition in Berlin nach Fukushima beschlossene Ausstieg aus der Atomkraft. Acht ältere AKWs, die vom Netz genommen wurden, bleiben abgeschaltet. Dadurch fehlen im heurigen Winter mit einem Schlag 8000 Megawatt (MW) Leistung. Das letzte der neun noch Strom produzierenden AKWs soll 2022 vom Netz. Sollte es an kalten Tagen mit hohem Stromverbrauch Windflaute und wenig Sonne geben, könnte schon in diesem Winter das Stromnetz zusammenbrechen.

Das sollen Verbund, EVN und Wien Energie verhindern. Alle drei haben zugesichert, im Bedarfsfall zusätzlichen Strom bereitzustellen. Zu diesem Zweck sollen vier aus Kostengründen derzeit gar nicht oder nur teilweise genutzte thermische Kraftwerke reaktiviert werden. Im Gegensatz zu Frankreich, Tschechien oder der Schweiz gibt es zwischen Deutschland und Österreich keinen Leitungsengpass.

"Es ist in unserem Interesse, dass die Bayern kein Problem haben", sagte der Chef der E-Control, Walter Boltz, dem Standard. "Käme es dort zu einem Blackout, könnte kein Mensch garantieren, dass wir unberührt blieben."

Den Löwenanteil - 785 MW von 1075 MW - stellt die EVN bereit. 450 MW Leistung würde das Kraftwerk Theiß bei Krems liefern, 154 MW Korneuburg. Beide Kraftwerke wurden im vergangenen Jahrzehnt ertüchtigt, beide können mit Heizöl oder Erdgas befeuert werden. "Die von uns bereitgestellten Kapazitäten benötigen wir im Winter selbst nicht, die Versorgungssicherheit unserer Kunden ist in jedem Fall gesichert", sagte EVN-Sprecher Stefan Zach.

Auch Verbund und Wien Energie stellen Überschussreserven bereit. Beim Verbund sind es 150 MW Leistung, die aus dem Kraftwerk Neudorf-Werndorf 2 (Großraum Graz) kommen würden. Auch das Kraftwerk Mellach (800 MW), das derzeit in Probebetrieb ist, könnte ab Jänner 2012 Nöte in Deutschland lindern helfen. Wien Energie würde bei Bedarf das Kraftwerk Donaustadt 1 (140 MW) hochfahren.

Deutsche Konsumenten zahlen

Ob tatsächlich Strom aus Österreich abgerufen wird, ist laut E-Control-Chef Boltz noch nicht fix. Im Normalbetriebsfall müsste es sich ohne österreichische Hilfe ausgehen, zumal die Bundesnetzagentur in Deutschland selbst gut 1000 MW an ungenützter Kraftwerksleistung im süddeutschen Raum aufgespürt habe, die im Notfall reaktiviert werden könnten.

Die heimischen Stromversorger bekommen die Kosten für die Bereitstellung der Leistung auch dann ersetzt, wenn im Endeffekt keine einzige Kilowattstunde aus dem Puffer abgerufen wird. Zur Kasse gebeten werden die Stromkunden in Deutschland. Auswirkungen auf den Strompreis in Österreich werde es durch diese Aktion nicht geben, sagte Boltz.

Sehr wohl leiden würde aber die CO2-Bilanz Österreichs, sollten die thermischen Kraftwerke reaktiviert werden müssen. Zach: "Vor die Alternative gestellt, ob ein altes deutsches AKW am Netz bleibt oder thermische Kraftwerke in Österreich angeworfen werden, ist Letzteres vernünftiger und findet wahrscheinlich auch mehr Verständnis in der Bevölkerung." (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.9.2011)