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Die Demonstranten setzen Israels Regierung unter Druck.
Insgesamt lieferten Samstagabend mehr als 400.000 Menschen auf den israelischen Straßen den Beweis dafür, dass die Proteste gegen den Wohnungswucher nicht eine Sommer-Episode waren, sondern sich zur stärksten Volksbewegung in der Geschichte des Landes ausgewachsen haben.
In Tel Aviv bejubelten geschätzte 300.000 Menschen die Reden und Konzerte bei der zentralen Kundgebung. Die Schilder mit Slogans wie "Gestern Brösel, heute Brot", "Wohnungen für alle" oder "Das Volk will die Wende" waren unübersehbar.
Der Vorsitzende der Studentenunion, Itzik Shmuli, machte Stimmung: "Lernen Sie uns kennen, Herr Premierminister, wir sind die neuen Israelis!", rief er. "Lasst uns in diesem Land leben. Die neuen Israelis fordern eine Veränderung, und sie werden nicht aufhören zu kämpfen, bis es echte Lösungen gibt." In Antwort darauf skandierten die Massen das Leitmotiv der Bewegung: "Das Volk fordert soziale Gerechtigkeit!"
Die Regierung versicherte, man habe die Botschaft verstanden, Reformen seien unterwegs. Premier Benjamin Netanjahu ernannte den angesehenen Ökonomen Manuel Trajtenberg zum Leiter einer Kommission, die bis Ende September konkrete Vorschläge vorlegen soll. "Die öffentliche Debatte schafft eine Gelegenheit, echte und verantwortungsvolle Änderungen herbeizuführen", sagte Netanjahu am Sonntag. Er werde "schnell handeln" und "korrigieren, was man korrigieren muss". Zugleich müsse er aber "die richtige Balance zwischen sozialer Empfindsamkeit und wirtschaftlicher Verantwortung wahren" - die Lebenshaltungskosten könnten nur gesenkt werden, "wenn unsere Wirtschaft nicht zusammenbricht, wie dies in einigen Ländern in Europa passiert ist."
Die Protestbewegung sieht sich in einer neuen Phase: Man will jetzt die Zelte abbrechen und vorläufig auf große Demonstrationen verzichten, ein Teil der Aktivisten will mit der Kommission kooperieren. Gibt es dann keine zufriedenstellenden Ergebnisse, soll mit der nächsten Demonstration noch mehr Druck gemacht werden. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2011)