Maria Fekter und Karl Aiginger kommen in der Frage der Vermögensbesteuerung auf keinen grünen Zweig. Die Euro-Rettung erscheint dagegen beiden als notwendige Maßnahme, von der letztlich auch Österreich profitiere.

Foto: Markus Prantl

Wifo-Chef Aiginger: "Wenn man die Diskussionen in Österreich hört, ist man der Verzweiflung nahe." - Finanzministerin Fekter: "Man muss sich das wie im Ostblock vorstellen, wo die Umstellung 20 Jahre gedauert hat."

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Standard: Herr Aiginger, Sie waren in Griechenland auf Urlaub. Haben Sie den Eindruck, dass die Hilfsgelder gut investiert sind?

Aiginger: Schwer zu sagen. Die Griechen haben massive Probleme. Die Alten beherrschen die Gesellschaft, die Jugend muss oder will untätig zuschauen. Alles läuft informell, es gibt kein Grundbuch; ob man Steuern zahlt oder nicht, wird mit dem Verhalten anderer 70-Jähriger argumentiert; und die Jugend wartet darauf, vom Staatsapparat aufgenommen zu werden. Sie greift nicht nach neuen Geschäftsmöglichkeiten, und wenn doch, wird sie behindert. Beispiel jüngster Taxistreik: In meinem Urlaubsort gibt es ein Taxi, Bedarf wäre für fünf. Die Regierung wollte, dass jeder gegen Bezahlung von 3000 Euro fahren darf, dagegen wird gestreikt.

Fekter: Das ganze Missverhältnis in Griechenland entsteht dadurch, dass der Staatssektor groß und ineffizient ist. Die Beamten greifen in die Staatskasse hinein. Anstatt nachhaltig zu investieren, wurde das ganze vor der Krise billig aufgenommene Geld verlebt.

Aiginger: Für die Olympiade wurden Straßen gebaut. Jetzt kann man schneller fahren, man kommt aus den Regionen rascher nach Athen, um Arbeit zu suchen. Industrielle Nachnutzung oder Gewerbeparks sieht man nicht. Der Fremdenverkehr rennt zwar gut, bietet aber zu wenig Qualität.

Fekter: Vor 15 Jahren lag Griechenland im Fremdenverkehr noch vor der Türkei, die durch Qualitätssteigerung und Ganzjahrestourismus Griechenland schon längst überholt hat. Daran kann man erkennen, wie es gehen müsste.

Standard: Aus Steuerzahlersicht klingt das nicht gerade beruhigend.

Fekter: Richtig ist, dass Griechenland mehr Zeit für Reformen braucht. Man muss sich das wie im Ostblock vorstellen, wo die Umstellung mindestes zehn Jahre gedauert hat. Österreich leistet dabei Entwicklungshilfe: etwa beim Aufbau einer flächendeckenden Finanzämterstruktur, beim Asylproblem oder bei Privatisierungen.

Aiginger: Wir helfen den Griechen, damit es Österreich besser geht. Ohne Hilfe würden EU und Euro einen großen Rückschlag erhalten. Vielleicht würde dieses große Projekt überhaupt scheitern. Allerdings braucht eine Sanierung auch eine Aktivkomponente oder Vision, beispielsweise führend in der Solartechnologie zu werden.

Fekter: Man darf nicht vergessen, dass wir die Ersten waren, denen man mit dem Schutzschirm über unsere Banken am Balkan geholfen hat. Österreich hätte das alleine nicht stemmen können.

Standard: Die Euro-Krisenabwehr gleicht - höflich ausgedrückt - einem Zickzackkurs.

Fekter: Das sehen nur die Medien so. Ich bin seit Mai dabei. Seither gehen wir einen ganz konsistenten, konsequenten Weg. Ich bin immer wieder überrascht über den Hype in den Medien zu Detailproblemen. Dadurch lassen wir uns nicht beirren.

Aiginger: Ich sehe schon Sprünge auf Ebene der EU. Erst wurde gesagt, Griechenland braucht keine Hilfe, dann hat Frau Merkel gesagt, Griechenland verdient keine Hilfe. Das ist aber typisch EU. Insgesamt gehen die Maßnahmen in die richtige Richtung. Wichtig wäre jetzt noch die Finanztransaktionssteuer, denn die Unternehmen und Konsumenten dürfen nicht für den Schuldenabbau herangezogen werden, während manche Finanzinstitutionen unbesteuert Gewinne machen.

Standard: Das wird es aber wegen des Widerstands der Briten nicht spielen. Es sei denn, die Eurozone prescht vor.

Fekter: Nur die Eurozone zahlen zu lassen, damit sich Großbritannien und Schweden an den EU-Töpfen bedienen können, das geht nicht.

Aiginger: Das kann man sicher ausgleichen. Es macht Sinn, als Eurozone zu beginnen und dann die anderen später hereinzuholen. Auch in den USA und Großbritannien werden Pläne gewälzt, die Banken zu besteuern. Wer aus einer Institution außerhalb der EU Kredite oder Versicherungen bezieht, sollte eine Eingangssteuer zahlen, wenn die Cayman-Inseln oder Großbritannien die Finanztransaktionssteuer nicht mittragen.

Standard: Inzwischen könnte man mit einer Vermögenssteuer starten. Wäre das nicht ein Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit?

Fekter: Die Vermögenden leisten in Österreich einen exorbitanten Beitrag zur Sanierung. Die Reichensteuer in Deutschland oder Frankreich ist in keinster Weise so streng wie der Spitzensteuersatz in Österreich, der bereits ab 60.000 Euro Einkommen gilt. Die reine Substanzbesteuerung hat Ferdinand Lacina aus gutem Grund abgeschafft und auf Ertragsbesteuerung umgestellt. Die Besteuerung der Substanz ist eine klare Enteignung. Nehmen Sie beispielsweise ein leerstehendes Haus, das man nicht vermieten kann, weil es irgendwo in der Pampa steht. Da muss man die Fenster herausreißen, um die Vermögenssteuer bezahlen zu können. Bei Betriebsvermögen sind Substanzsteuern investitionshemmend und arbeitsplatzgefährdend.

Standard: Der Bundeskanzler hat aber vorgeschlagen, Betriebe davon auszunehmen und nur Vermögen ab einer Million anzuzapfen.

Fekter: Das sind ziemliche Nebelgranaten. Wenn der Bundeskanzler sagt, Substanzsteuern kommen nicht, und den Häuslbauer treffen wir auch nicht und die Perlenkette braucht man nicht angeben: Das ist in Wirklichkeit eine Anleitung zur Steuerhinterziehung. Eine derart unseriöse Ansage ist mir von einem Regierungschef noch selten untergekommen. Wenn die Angaben auf Basis einer Selbsterklärung erfolgen sollen, dann muss die Finanzpolizei auch in die Haushalte gehen, um zu klären, ob die Angaben auch stimmen. Wenig besteuert wird Grund und Boden, und da sind wir dann voll in der Landwirtschaft drinnen. Dass die SPÖ zum Halali auf die Bauern aufruft, ist offensichtlich und erkennbar.

Aiginger: Bei uns wird Arbeit stärker besteuert als in den meisten anderen Ländern der Welt, Vermögen weniger. Bereits bei niedrigen Einkommen machen alle Lohnabgaben 40 Prozent aus. Der Spitzensteuersatz schlägt bereits bei Fachkräften oder lang gedienten Mittelschullehrern zu. Eine Steuerreform sollte dazu führen, dass Einkommen mit maximal 40 Prozent besteuert werden. Eine Vermögenssteuer bringt wegen der gewünschten Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten nicht viel. Was sinnvoll ist, ist eine Erhöhung der Grundsteuer, deren Aufkommen wegen der Nichtanpassung der Einheitswerte jedes Jahr - im Verhältnis zum Grundstückwert - sinkt. Neben der laufenden Inflationsanpassung könnte man für Grundvermögen von mehr als 500 Quadratmetern oder Wohnungen über 80 Quadratmetern die Teuerung der letzten Jahre berücksichtigen. Prinzipiell bin ich auch für die Besteuerung hoher Erbschaften. Um eine echte Entlastung der Arbeit zu bewirken, wären zudem ökologische und gesundheitsbezogene Steuern vernünftig. Das sind Strukturveränderungen, die Gesamtsteuerbelastung soll nicht steigen, weil sie schon höher als in anderen Ländern ist.

Fekter: Wir haben gerade einen großen Ökologisierungsschritt beschlossen.

Standard: Die Anhebung der Mineralölsteuer ist noch keine Ökologisierung.

Fekter: Wir haben auch die Privilegien bei der Energieabgabe beseitigt.

Aiginger: Wir verfehlen dennoch jedes Jahr die Kioto-Ziele und müssen dafür bezahlen. Da muss man noch mehr tun.

Fekter: Wir verfehlen die Kioto-Ziele, die wurden aber auch ziemlich strange definiert. Aber hier haben wir mit der thermischen Sanierung ebenfalls einen Schwerpunkt gesetzt. Bei den Belastungen müssen wir schon darauf achten, dass wir mit Umweltkosten nicht Arbeitsplätze vertreiben. Daher bin ich für einen behutsamen Weg.

Aiginger: Wenn wir neue Technologien entwickeln, dann können wir Umwelttechnologie exportieren und Arbeitsplätze schaffen.

Standard: Herr Aiginger, haben Sie angesichts des Hickhacks um Steuern und Wehrpflicht Hoffnungen auf echte Strukturreformen?

Aiginger: Wenn man die österreichische Diskussion hört, ist man nahe der Verzweiflung. Wenn man die Ergebnisse der österreichischen Wirtschaftspolitik betrachtet, sieht man dagegen gute Daten bei Wachstum, sozialen Aspekten und Umwelt. Ich schwanke daher. Ich dränge zu Reformen, vor allem im Bildungsbereich. Außerdem sucht unsere Jugend ein neues Wirtschafts- und Sozialmodell. Da müssen wir populistischen Strömungen entgegenarbeiten.

Standard: Das wäre doch ein Aufgabengebiet, um die von Ihnen angestrebten Blutspuren zu hinterlassen.

Fekter: Wer gestaltet, stößt auf Gegnerschaft. "Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann", hat meine Mutter immer gesagt. Ich gehöre zu denjenigen, die etwas weiterbringen wollen. Aber vielleicht sind wir schon im Wahlkampf. (Das Gespräch führte Andreas Schnauder. STANDARD-Printausgabe, 5.9.2011)