Die Stollen des NS-Geheimprojekts in Redl-Zipf. Beim Ausbau der unterirdischen Anlage starben hunderte KZ-Häftlinge.

Foto: Arge Schlier

Bislang konnten die Brauereistollen nur einmal jährlich besichtigt werden, das Land will dies jetzt ändern.

Linz – Jahrzehnte wagte von offizieller Seite niemand einen Blick hinter die bierselige Lustigkeit. Das dunkle Kapitel der Dorfgeschichte von Redl-Zipf war zwar stets bekannt, sich diesem zu stellen war man aber nur sehr bedingt bereit. Vonseiten der Brauerei wurde ein Blick hinter die Fassade auf die baulichen Überreste der NS-Rüstungsindustrie in den heute nicht mehr genutzten Stollen trotz Kritik lange untersagt.

Die Haltung änderte die Führung der Brauerei erst im Jahr 2008. Erstmals konnten sich da Besucher auf die Spuren des "Geheimprojekts Schlier" begeben. Ab diesem Zeitpunkt bekam die Arge Schlier die Zusage, einmal pro Jahr eine Führung durch die Anlage organisieren zu dürfen. Zu wenig, angesichts der mehr als 600 Anmeldungen pro Jahr. Jetzt hat sich überraschend das Land Oberösterreich eingeschaltet, Ziel sind regelmäßige Führungen.

Es war das Jahr 1943, das Redl-Zipf zu einem der kriegsstrategisch wichtigsten Orte machte. Nach schweren Bombenangriffen auf die sogenannten Rax-Werke in Wiener Neustadt entschied die NS-Führung, ihre Rüstungsindustrie vorwiegend unter Tage zu verlagern. Die Bierkeller der Brauerei Zipf dürften dafür ideal gewesen sein, zumal der Ort direkt an der Westbahn liegt und die Brauerei mit einem Gleiszugang versehen war. Am 30. September informierte die NS-Führung die Brauerei, bereits am 4. Oktober wurde mit der Erweiterung der unterirdischen Stollen begonnen. Dies wurde von Zwangsarbeitern durchgeführt, die im KZ-Nebenlager Redl-Zipf untergebracht waren. Mindestens 266 Häftlinge fanden den Tod.

Vorwiegend galt es, in den Tiefen der Braukeller wichtige Bestandteile für die V2-Rakete – die erste in Serie gebaute Flüssigsauerstoff-Rakete der Welt – herzustellen. Unter dem Decknamen "Schlier", benannt nach dem Gesteinsvorkommen in Zipf, produzierte man Flüssigsauerstoff und entwickelte Raketenantriebe, die man auf zwei Prüfständen testete. Im April des Vorjahres wandten sich Vertreter der Arge Schlier dann an Landeshauptmann Josef Pühringer (VP). Dieser schaltete das Institut für Volkskunde des Landes Oberösterreich ein und sicherte Gespräche mit der Unternehmensleitung und dem Redl- Zipfer Bürgermeister zu. "Die Zusammenarbeit wird in der Form angestrebt, dass regelmäßige und planbare Führungen durchgeführt werden können", heißt es in einem dem Standard vorliegenden Schreiben des Landes.

Vermessungen erlaubt

Auch vonseiten der Brauerei ist man jetzt bereit, sich der Vergangenheit zu stellen. Zumindest hat man dem Vernehmen nach zugestimmt, das Areal von Geologen vermessen zu lassen. "Wir haben derzeit mit der Brauerei eine sehr gute Gesprächsbasis. Die noch vorhandenen baulichen Anlagen sind als Denk- und Mahnmal unbedingt erhaltenswert", appelliert Hannes Koch von der Arge. Unterstützung kommt vor allem auch von grüner Seite. "Das Areal muss als Mahnmal kontinuierlich der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Lang wurde dies behindert, jetzt ist es höchste Zeit, es zu tun", fordert Grünen-Chef Rudi Anschober. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 5. 9. 2011)