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Eher ein Ladenhüter: Die Fener-Fans stritten nicht unbedingt um das Leiberl, das den inhaftierten Klubchef Aziz Yildirim zeigt.
Man könnte es böse so formulieren: Mit Geld kennen sie sich ja aus, die Getreuen des börsennotierten, skandalumwitterten türkischen Noch-Meisters Fenerbahçe. Sonntag war Eine-Million-Lira-Tag im "Fenerium" in Istanbul, dem Hauptquartier der FenerFans. Eine Million Lira, derzeit umgerechnet 400.000 Euro, wollten sie auf den Kopf hauen. Fener-Devotionalien erwerben - Bettwäsche, Feuerzeuge, Leiberln, fast alles kanarienvogelgelb mit schwarzen Streifen -, um mit der kollektiven Finanzleistung ihre Treue zum Klub zu zeigen. "Unsere Zukunft sieht düster aus", sagt trotzdem Burak Yaman, einer der Triebkäufer im "Fenerium".
Der Fenerbahçe Kulübü ist die Seele des türkischen Fußballs, glauben nicht wenige im Land, angefangen bei Regierungschef Tayyip Erdogan, einem Fener-Fan. Doch seit Fenerbahçe-Präsident Aziz Yildirim wegen des Vorwurfs der breit angelegten Spielmanipulation in Untersuchungshaft sitzt, hat sich in der Türkei der Eindruck breitgemacht, dass mit der Fußballseele etwas ganz fürchterlich nicht stimmt.
Mit solchen existenziellen Zweifeln im Kopf kickt sich schlecht, wenn man nicht aufpasst. "Unser Nationalteam ist dieses Jahr nicht gut", brummelt einer bei der Verkaufsorgie im "Fenerium". Engin Kurtkaya ist einer, der an die große Verschwörung gegen Fenerbahçe glaubt. Er schwafelt vom Plan einiger Leute, die den Verein kaputtmachen wollen, weil sie dessen Erfolge nicht ertragen könnten. Am Dienstag steht die Nationalmannschaft mit ihren Fener-Spielern trotzdem auf dem Rasen des Happel-Stadions gegen die ÖFB-Auswahl. "Ich hoffe, wir werden von den Österreichern nicht übel geschlagen", sagt Yaman, ein anderer Mann in der Eine-Million-Lira-Schar. Aber dann fällt ihm doch noch etwas Beruhigendes ein: "Eigentlich sind die Österreicher auch nicht gut."
Unsicher an der Spitze
Kasachstan, das Schlusslicht in der A-Gruppe der EM-Qualifikation, wurde am Freitag in Istanbul nach bescheidener Leistung 2:1 geschlagen. Selçuk Inan, einer der Macher im Team, hat die rote Karte gesehen und wird gegen Österreich fehlen. Emre ist verletzt. In der Poleposition um Platz zwei ist die Türkei aber dennoch.
Das alles kam nach dem Besuch von Inspektor Cornu am Bosporus. Der Chefermittler bei der Uefa ließ sich über den Betrugsskandal aufklären, der im Juni ans Tageslicht kam. 30 Funktionäre und Spieler sind seither in Haft und warten auf einen Prozess, alle geschart um Fener-Präsident Yildirim, der Bares gezahlt haben soll, um die Leistung von Spielern und Schiedsrichtern in der Süperlig zu dosieren und seinen Verein immer ganz oben an der Spitze zu halten. Pierre Cornu sprach lange mit dem ermittelnden Staatsanwalt, dann war die Entscheidung da: Fenerbahçe musste raus aus der Champions League.
Den Fener-Fans will das - wenig überraschend - nicht einleuchten. Sie haben ein Problem mit der Logik der Beschlüsse: Die Frage sei ja wohl, so sagt Hakan Bultan, ebenfalls ein Vereinsanhänger, weshalb die Uefa ihre Entscheidung innerhalb weniger Stunden fällen kann und die türkische Justiz auch nach Monate dauernden Untersuchungen - wenigstens acht dürften es nun sein - noch nichts Konkretes zustande gebracht habe.
Die noch größere Furcht der Fans ist der Zwangsabstieg in die zweite Liga. Trotzig hat der Verein genau das vergangene Woche beim türkischen Fußballverband beantragt, weil die Uefa ja offenbar Gründe hatte, die dem türkischen Verband offenbar unbekannt waren. Dem TFF war das zu blöd, er lehnte den Antrag aus formalen Gründen ab. In die Champions League kam der Tabellenzweite Trabzonspor anstelle von Fener. Zum Start der Süperlig am Freitag sieht aber vor allem Galatasaray mit einem Mal besser aus. Und auch Besiktas, Klub der Österreicher Ekrem Dag und Veli Kavlak, rechnet sich etwas aus. (Markus Bernath aus Istanbul, DER STANDARD Printausgabe 05.09.2011)