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Letzter Checkpoint vor Bani Walid.
Tripolis/Brüssel - Die neuen Machthaber in Libyen wollen die belagerte Gaddafi-Bastion Bani Walid bis zum Wochenende nicht stürmen lassen. Für alle noch verbliebenen Enklaven der Anhänger des entmachteten Diktators Muammar al-Gaddafi gelte weiter die bis 10. September gesetzte Frist für eine Übergabe, sagte der Chef Übergangsrates, Mustafa Abdul Jalil, dem britischen Sender BBC am Montag in Benghazi. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erwartet ein baldiges Ende des Militäreinsatzes der Allianz in dem nordafrikanischen Land. Er könne keinen genauen Zeitpunkt nennen, sagte Rasmusssen in Brüssel. Er denke aber, "er wird bald kommen". Der Einsatz solle noch so lange wie nötig dauern, "aber keine Minute länger", sagte Rasmussen.
Die Aufständischen hatten am Montag vor Bani Walid hunderte Kämpfer zusammengezogen. Zuvor waren offizielle Verhandlungen zwischen den Rebellen sowie Stammesältesten und Anhängern Gaddafis ohne Ergebnis abgebrochen worden. Daraufhin hatten Anführer der Rebellen dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera gesagt, dass der Countdown für die Erstürmung der Stadt begonnen habe.
Bani Walid liegt rund 150 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Tripolis. Die meisten der 80.000 Einwohner gehören zum Stamm der Warfalla, dem größten Libyens. Mit knapp einer Million Mitglieder repräsentiert er ein Sechstel der Bevölkerung des nordafrikanischen Landes. Die Warfalla unterteilen sich in gut 50 Clans. In Bani Walid sollen die Gaddafi-Söhne Saif al-Islam und Mutassim eine friedliche Lösung verhindert haben, ehe sie vor ein paar Tagen abgezogen seien, berichtete die BBC unter Berufung auf den Übergangsrat. Nach unbestätigten Meldungen soll sich noch der ehemalige Gaddafi-Sprecher Ibrahim Mussa in der Wüstenstadt aufhalten und eine Kapitulation blockieren. Ein BBC-Reporter schätzte die Zahl der gut bewaffneten Gaddafi-Getreuen, die sich nicht ergeben wollen, auf bis zu 200.
Bani Walid gehört mit Sirte, der Geburtsstadt Gaddafis, und der Garnisonsstadt Sebha zu den letzten Hochburgen des langjährigen Diktators. Nach anderen Berichten soll Gaddafis Sohn Saif al-Islam die Stadt bereits am Freitag verlassen haben. Auch zwei Wochen nach dem Fall von Tripolis bleibt unklar, wo der 69 Jahre alte langjährige Machthaber untergetaucht ist.
Militärchef der Rebellen erwägt Klage gegen USA und Großbritannien
Abdel Hakim Belhadsch, Militärchef der Rebellentruppen, hat derweil von den USA und Großbritannien eine Entschuldigung gefordert. Zuvor war bekannt geworden, dass Geheimdienste beider Länder bei seiner Festnahme geholfen haben sollen. "Was mir passiert ist, war illegal und verdient eine Entschuldigung", sagte Abdel Hakim Belhadsch der britischen BBC.
Der Zeitung " The Guardian" sagte Belhadsch, er erwäge Klagen gegen beide Länder. Trotz allem werde die neue Führung des Landes mit den USA und Großbritannien künftig "geregelte Beziehungen" führen.
Der britische und der amerikanische Geheimdienst sollen in der Vergangenheit in mehreren Fällen mit dem Gaddafi-Regime kooperiert haben . Am Wochenende war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst CIA sowie die britischen Behörden Libyen bei der Gefangennahme und Überstellung Belhadschs geholfen haben sollen.
Belhadsch war den aus den Archiven der libyschen Geheimdienste zutage geförderten Dokumenten zufolge im Jahr 2004 in Bangkok gefasst und nach Libyen gebracht worden. Dort saß er nach eigenen Angaben sieben Jahre im Gefängnis und wurde "regelmäßig gefoltert". So habe es etwa Schlafentzug und ständigen Lärm gegeben.
Früher Gotteskrieger, heute Rebellenchef
Der nunmehrige Chef des für Tripolis zuständigen Militärrates der libyschen Rebellen hatte sich bei der Befreiung der Hauptstadt aus den Händen des Gaddafi-Regimes einen Namen gemacht. Belhadj war früher "Emir" (Befehlshaber) der "Libyschen Islamischen Kampfgruppe" (LIFG), die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die Liste internationaler Terrororganisationen gesetzt worden war. (Mehr zu Belhadsch hier).
Den Bewohnern von Tripolis versprach die neue Führung, dass ihre Stadt "in den kommenden Tagen" wieder an die Trinkwasserversorgung angeschlossen sein werde. Ein Militärsprecher des Übergangsrats, Ahmed Bani, sagte, die Kämpfer der Gaddafi-Gegner hätten die Kontrolle über den Großteil der wichtigen Versorgungsleitung erlangt, durch die Grundwasser aus der Wüste in den Norden transportiert wird. Bei einem Großteil der Hauptstadtbewohner fließt seit Tagen kein Wasser mehr aus der Leitung.
Gaddafi, seine Söhne und viele Vertraute
Bani Walid ist eine Hochburg des mächtigen Warfalla-Stammes, der Gaddafi die Treue hält. Kenshil sagte, "Gaddafi, seine Söhne und viele Vertraute" seien in Bani Walid gewesen. Viele seien entkommen, doch die Söhne Saadi und Mutassim seien noch immer in der rund 180 Kilometer südöstlich von Tripolis gelegenen Stadt. Auch Gaddafis früherer Sprecher Mussa Ibrahim halte sich noch dort auf. "Sie wollen die Stadt als ihre Festung nutzen."
Bereits zuvor hatte der Kommandant des Kontrollpostens Chichan rund 70 Kilometer nördlich von Bani Walid die Gespräche für beendet erklärt. "Diese Leute sind nicht ernstzunehmen", sagte Mohammed al-Fassi. "Sie haben uns zweimal versprochen, aufzugeben und diese Versprechen nicht eingehalten." Die Kämpfer würden sich jetzt auf einen Angriff vorbereiten.
Abdel Hakim Belhadj, Anführer der Truppen der neuen Führung, forderte am Sonntag in der BBC unterdessen eine Entschuldigung aus Washington und London, nachdem bekanntgeworden war, dass die Geheimdienste der Länder bei seiner Festnahme geholfen haben sollen. "Was mir passiert ist, war illegal und verdient eine Entschuldigung." Der Zeitung "The Guardian" sagte Belhadj, er erwäge Klagen gegen beide Länder. (red/APA/Reuters)