Bei einer Pressekonferenz hat Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) angekündigt, sein Amt als Nationalratsabgeordneter zurückzulegen. Dies sei auch schon mit ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf abgesprochen.
Schüssel begründete seinen Rückzug in einer Erklärung damit, dass er dazu beitragen wolle, "eine objektive, eine von jeder politischen Beeinflussung oder medialen Vorverurteilung unabhängige Aufklärung durch die Justiz zu erleichtern". Gleichzeitig betonte er, dass er als Regierungschef an die Mitglieder seines Teams "hohe Anforderungen hinsichtlich Vertrauenswürdigkeit und Integrität" gestellt habe. Allerdings könne niemand ausschließen, dass sein Vertrauen von Einzelnen getäuscht oder missbraucht worden sei: "Niemand würde dies mehr bedauern als ich selbst."
Schüssel für Aufklärung
Politik sei eine Sache des Vertrauens, so Schüssel, dessen schwarz-blaue Regierung in Zusammenhang mit der Telekom-Affäre und anderen Korruptionsvorwürfen zunehmend in die Kritik kommt. Der ehemalige Kanzler war zuletzt parteiintern unter Druck geraten, da mit Ernst Strasser, Karl-Heinz Grasser (beide ÖVP), Hubert Gorbach (BZÖ) und Mathias Reichhold (FPÖ) mittlerweile vier Minister seiner Regierungszeit teils im Fokus von Ermittlungen der Justiz sind, teils laut Medienberichten nach ihrer Amtszeit umstrittene Zahlungen aus dem staatsnahen Bereich kassiert haben sollen. "Ich bin sehr dafür, dass alles aufgeklärt wird", sagte der Ex-Bundeskanzler, er vertraue der Justiz. Schüssel fasste bei der Pressekonferenz noch einmal die Reformen unter schwarz-blau zusammen. "Ich kann mit dieser Bilanz leben", so der ÖVP-Politiker.
"An Vorwürfen ist nichts dran"
Schüssel sieht seinen Rücktritt nicht als Schuldeingeständnis, es habe keinen Druck von der Partei gegeben, der Schritt sei seine persönliche Entscheidung. Es sei ihm einerseits nicht leicht gefallen, weil er an der Partei hänge. Andererseits gehe er aber auch mit einem "leichten Herzen", denn er habe sein Amt "mit bestem Wissen und Gewissen" ausgeführt. An den Vorwürfen sei nichts dran. Er sei für vollinhaltliche Klarheit.
"Grasser hat gute Arbeit geleistet"
Zu den Vorwürfen rund um seinen ehemaligen Finanzminister Karlheinz Grasser sagte Schüssel, dass dieser als Minister "gute Arbeit geleistet" hätte. Für die Zeit danach könne er aber nicht ausschließen, dass Grasser sein Vertrauen missbraucht hat. Auch Ernst Strasser sei ein guter Innenminister gewesen, so Schüssel. Strasser war als Europamandatar zurückgetreten, nachdem Journalisten aus Großbritannien aufgedeckt hatten, dass man bei ihm Gesetze "bestellen" konnte.
Schüssel kennt Hochegger nicht
"Was nach der Amtszeit eines Regierungsmitglieds geschehen ist, hat jeder selbst zu verantworten", so Schüssel. Den Lobbyisten Peter Hochegger, der immer wieder in Zusammenhang mit Korruptionvorwürfen während der schwarz-blauen Regierung auftaucht, kennt Schüssel nach eigenen Angaben nicht. Zahlungen an die ehemaligen Minister Gorbach und Reichhold seien nach deren Amtszeit erfolgt, weshalb er dafür keine Verantwortung trage. Er selbst habe für das, wofür er Verantwortung trage "ein ganz gutes Gewissen".
Die schwarz-blaue Regierung sei notwendig gewesen, weil Österreich damals "genau in der Situation war, wie jetzt die Griechen", sagte der Ex-Kanzler bei der Pressekonferenz.
Er sei sicher, dass unter Führung von Parteichef Micheal Spindelegger die ÖVP den "Erfolgsweg fortsetzen wird". Schuldhaftes Verhalten von sich oder der ÖVP erkennt er freilich nicht. Für nötig hält Schüssel jetzt eine objektive Aufklärung durch die Justiz, die von jeder politischen Einflussnahme frei sein müsse. (red, derStandard.at, 5.9.2011/APA)