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Immer mehr lassen sich fitspritzen und schleppen sich krank in die Arbeit, warnt die Arbeiterkammer und fordert Maßnahmen gegen Kündigungen im Krankenstand.

Foto: APA/dpa/Hirschberger

"Sicher ist das ein sehr weit verbreitetes Problem in Österreich", sagt Doris Rauscher-Kalod, Leiterin der arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung der Arbeiterkammer Niederösterreich, zu derStandard.at. Mit dem "Problem" meint sie Kündigungen während des Krankenstandes. In Zahlen gegossen: Alleine in Niederösterreich haben seit Jahresbeginn 1.300 Arbeitnehmer ihren Job verloren, weil sie krank geworden sind. Das geht aus Statistiken der Arbeiterkammer Niederösterreich hervor. Die Organisation ortet in dem Bereich "massive Verletzungen von gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen".

Nicht nur in Niederösterreich. Die Anzahl an Kündigungen dürfte in den restlichen Bundesländern ähnlich hoch sein, vermutet Rauscher-Kalod. Rund 400 Beratungen pro Woche würden zeigen, dass das Thema unter den Nägeln brennt.

Kein besonderer Kündigungsschutz

Rein rechtlich gesehen sind Kündigungen in der Zeit des Krankenstandes legitim. Es gibt keine gesetzliche Grundlage für einen besonderen Schutz. Wird ein Arbeitnehmer gekündigt, dann übernimmt die Krankenkasse - statt dem Arbeitgeber - die Fortzahlung des Krankengeldes. Das sei allerdings um fast die Hälfte geringer, moniert Rauscher-Kalod und bringt das Thema einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses aufs Tapet. Eine Praxis, vor der die Arbeiterkammer warnt. Dienstgeber würden ihre Mitarbeiter dazu drängen, weil sie sich das Krankengeld ersparen wollen. Mit der Aussicht, sie nach Ende des Krankenstandes wieder einzustellen.

Rückdatierte Kündigungen stünden auf der Tagesordung. Zur Kasse gebeten werden die Sozialversicherungen. Solche "Umgehungsgeschäfte", wie sie die Arbeiterkammer bezeichnet, sind rechtlich nicht in Ordnung. "Im Endeffekt zahlen alle dafür, was eigentlich der Dienstgeber leisten sollte." Die Töpfe der Krankenkassen werden ja von den Beiträgen aller Arbeitnehmer gespeist.

Krank in der Arbeit

Das Resultat der Misere seien zunehmend verunsicherte Arbeitnehmer, die entweder ein geringeres Krankengeld erhalten oder sich krank in die Arbeit schleppen. Aus Angst vor Jobverlust. "Das ist einfach eine unwürdige Situation", kritisiert Rauscher-Kalod und fordert zur Gesundung Maßnahmen vom Gesetzgeber. Etwa die Reanimation des Entgeldfortzahlungsfonds, der im Jahr 2000 einem Sparkurs zum Opfer fiel. Vor allem kleinere Firmen, die sich Krankenstände ihrer Mitarbeiter schwerer leisten können, haben davon profitiert. Aus dem Fonds wurden den Firmen die Lohnkosten während des Krankenstandes ersetzt.

Die Arbeiterkammer will die "Problematik" in den nächsten Wochen zum Schwerpunktthema machen. Für eine Lösung muss die Wirtschaftskammer ins Boot geholt werden. Die Zeichen stehen allerdings auf Ablehnung. "Bis jetzt gab es nur eine negative Reaktion." 

Wirtschaftskammer sieht "Panikmache"

Sonja Zwazl, Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, weist den Vorstoß der Arbeiterkammer als "unverantwortliche Panikmache ohne seriösen Hintergrund" zurück. Genannte Zahlen seien "nicht durch Daten der Gebietskrankenkasse gedeckt". Werde ein Arbeitnehmer im Krankenstand gekündigt, laufe der Entgeltfortzahlungsanspruch "so lange weiter, bis er gesetzlich ausgeschöpft ist". Der Arbeitgeber erspare sich also nichts.

Lediglich bei einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses entfalle die Entgeltfortzahlungsverpflichtung. "Eine Wiedereinführung des Entgeltfortzahlungsfonds ist für uns kein Thema", so Zwazl. (om/APA, derStandard.at, 5.9.2011)