Das Amphitheater von Petronell war bereits bekannt. Nun wurde die dazugehörige Gladiatorenschule (vorn) entdeckt.

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Im Boden von Carnuntum wurde eine römische Gladiatorenschule entdeckt (3D-Rekonstruktion).

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Der Gebäudekomplex

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Screenshot der virtuellen Präsentation des Fundes

Foto: Ronald Zak/AP/dapd

Die Entdeckung gelang mit einem neuen motorisierten Multikanal-Bodenradargerät.

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Petronell/Wien - Von einem "Sensations-Fund" war vergangene Woche die Rede - von den Resten einer römischen Gladiatorenschule, die auf dem Gelände des Parks  in Petronell-Carnuntum (Bezirk Bruck a.d. Leitha) entdeckt worden war. Am Montag wurde die Forschungsarbeit vom Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI-ArchPro) detailliert präsentiert. Entgegen ersten Berichten wurde der im Boden gefundene Gebäudekomplex aber nicht ausgegraben, sondern virtuell zum Leben erweckt. Der Fund werfe ein neues Licht auf Leben und Sterben der römischen Gladiatoren.

Hintergrund

Menschliche Besiedlung hinterlässt Spuren im Boden, welche mit modernster Messtechnik am Computerbildschirm sichtbar gemacht werden können. Die archäologisch sensationelle Entdeckung im römischen Carnuntum war einem internationalen Team von Archäologen, Geophysikern und Computerexperten des LBI-ArchPro mit einem neu entwickelten motorisierten Multikanal-Bodenradargerät gelungen. Dieses durchleuchtet den Boden dreidimensional - dabei liefern die Messgeräte Untergrundbilder bis in mehrere Meter Tiefe und mit ungeahnter Detailtreue.

Zuerst wurden in Carnuntum, einer der größten bis heute erhaltenen römischen Landschaft, verdächtige Bereiche mit Hilfe von Luftaufnahmen lokalisiert. Dann kam das neue Gerät zum Einsatz. Das untersuchte Gebiet liegt westlich des in der 1. Hälfte des zweiten Jahrhunderts außerhalb der Zivilstadt von Carnuntum gebauten Amphitheaters. Jenes war in den 1920ern ausgegraben worden. Es hatte bis zu 13.000 Zuschauer aufgenommen und war nach zeitgenössischen Inschriften das viert größte des gesamten römischen Reichs und Schauplatz zahlreicher Gladiatorenspiele.

Fund der Gladiatorenschule

In dem nun untersuchten Areal, das bislang wenig Beachtung gefunden hatte, zeigten die Sensoren einen ausgedehnten und in sich abgeschlossenen Gebäudekomplex - die Gladiatorenschule. Mit Begeisterung habe das Forschungsteam entdeckt, dass die schattenhaften Umrisse in den Luftbildern westlich des Amphitheaters mit Hilfe des Messeinsatzes erstaunlich detailgetreu am Computerbildschirm sichtbar gemacht werden konnten. 

An Deutlichkeit der erfassten Baustrukturen sei Carnuntum derzeit nur mit der großen Gladiatorenschule, dem ludus magnus östlich hinter dem Kolosseum in Rom, zu vergleichen. "In seiner Vollständigkeit und Dimension ist dieser sensationelle archäologische Befund mit modernsten zerstörungsfreien Methoden derzeit  weltweit einzigartig", gab das Team in einer Aussendung bekannt.

Die Schule

Die Gladiatorenschule, ein abgeschlossener Gebäudekomplex mit einem Ausmaß von 2.800 Quadratmetern, liege in einer 11.000 Quadratmetern umfassenden, mit einer Mauer umgebenen Parzelle. Die Gebäudeteile sind um einen großen Innenhof angelegt, in dem die Radarmessungen eine kreisrunde Trainingsarena mit einem Durchmesser von 19 Metern aufgedeckt haben. Auch sind hölzerne Zuschauertribünen vorhanden.

In den Radarbildern lassen sich dem Forschungsteam zufolge deutlich die Fundamente einer 100 Quadratmeter großen beheizbaren Trainingshalle, einer ausgedehnten Badeanlage, eines Verwaltungstrakts bzw. des Wohnbereichs des Besitzers der Gladiatorenschule und die durchschnittlich fünf Quadratmeter großen Wohnzellen der Gladiatoren erkennen. Die Ausbildungs- und Wohnstätte war vermutlich mit 40 bis 60 Gladiatoren belegt. Erfolgreiche Kämpfer konnten zu regelrechten Superstars aufsteigen. Allerdings, so LBI-ArchPro-Leiter Wolfgang Neubauer bei der Pressekonferenz in Petronell: "Die Lebenserwartung überdauerte meist nur vier, fünf Kämpfe."

Infrastruktur und augmented reality

Die in nur wenigen Stunden erstellten Aufnahmen lassen eine animierte Simulation der einzelnen Gebäude zu. Auch die notwendige Infrastruktur wie Wasserleitungen, Fußbodenheizungen und Abwasserkanäle sowie Zugangswege zum Amphitheater, Portale oder die Fundamente von Memorials sind deutlich in den hochauflösenden Radardaten erkennbar. Sogar die Estrichböden sind erhalten, "eine ganz große Besonderheit", so Neubauer. Die Archäologen glauben auch, direkt hinter der Gladiatorenschule das zugehörige Gräberfeld mit einzelnen großen Grabmonumenten, steinernen Sarkophagen und verschiedenen einfacheren Grablegungen gefunden zu haben.

Die Funde werden vorerst unter der Erde belassen, so Landeshauptmann Erwin Pröll, doch soll ein maßstabsgetreues 3D-Modell gestaltet werden. Auf die Frage, wann mit den Ausgrabungen begonnen werde, antwortete Neubauer mit einem medizinischen Vergleich: "Auch vor einer Operation sollte man noch alle möglichen tomographischen Befunde einholen, bevor man sich aufschneiden lässt." Mit Hilfe einer mobilen augmented reality-Anwendung (Wikitude World Browser) könne die Gladiatorenschule jedenfalls direkt an der Fundstelle am Handy oder iPad virtuell lebendig werden, gab das LBI-ArchPro bekannt. (red)