Ramallah/New York - Die palästinensische Führung sieht keine Alternative zu einem Antrag auf UNO-Mitgliedschaft. "Wir haben keine andere Wahl, als die Aufnahme unseres Staates in den Grenzen von 1967 in die Vereinten Nationen zu beantragen", erklärte der palästinensische Spitzenfunktionär Nabil Shaath in Ramallah, wo am kommenden Mittwoch der US-Beauftragte David Hale zu Gesprächen mit Präsident Mahmoud Abbas erwartet wird. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat am Montag zu neuen Friedensgesprächen aufgerufen. Die Verhandlungen waren 2010 gescheitert, nachdem Israel die Verlängerung eines vorübergehenden Siedlungsstopps im besetzten Westjordanland hartnäckig verweigert hatte.
Für die Palästinenser ist die internationale Anerkennung ihrer Eigenstaatlichkeit nunmehr Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Nahost-Friedensprozesses, für die Israelis dagegen ein gravierendes Hindernis. Der scheidende Präsident der UNO-Generalversammlung, der ehemalige Schweizer Bundespräsident Joseph Deiss, erklärte am Sonntag im Hinblick auf das erwartete US-Veto gegen eine UNO-Vollmitgliedschaft Palästinas, eine Aufnahme in die Vereinten Nationen sei an sich nicht "staatskreierend". Schließlich sei die Schweiz erst sehr spät UNO-Mitglied geworden und schon vorher unbestreitbar ein Staat gewesen. Der palästinensische Staat werde jedenfalls bereits von der großen Mehrheit der UNO-Mitglieder anerkannt. Für den Nahost-Friedensprozess könnte es seiner Meinung nach von Vorteil sein, "wenn zwei UNO-Mitglieder miteinander verhandeln".
Diplomatisches Desaster
Die israelische Führung plagen Ängste vor einem nicht mehr abzuwehrenden diplomatischen Desaster. Auch wenn das zugesagte Veto der USA die von mehr als 130 Ländern gewünschte Aufnahme eines Staates Palästina in die UNO verhindern wird, befürchten israelische Politiker den Beginn eines "langfristigen antiisraelischen Prozesses", der die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Landes gravierend einschränken wird, wie laut "Haaretz" aus einem unveröffentlichten Bericht des Außen- und Verteidigungsausschusses der Knesset hervorgeht.
Der von der Oppositionspartei Kadima gestellte Ausschuss-Vorsitzende, Ex-Verteidigungsminister Shaul Mofaz, hat der Regierung von Ministerpräsident Netanyahu schwere Versäumnisse vorgeworfen. Sie habe den Kopf in den Sand gesteckt und sei unfähig, die veränderte Nahost-Realität wahrzunehmen. Mofaz geht davon aus, dass es möglich gewesen wäre, die palästinensische Führung zu "neutralisieren". Israel hätte dazu eine "politische Option" anbieten müssen, die es den USA erlaubt hätte, die Wiederaufnahme israelisch-palästinensischer Verhandlungen herbeizuführen. Was nun in New York über die Bühne gehen werde, erzeuge ein Eskalations-Risiko auf regionaler Ebene angesichts der allgemeinen Atmosphäre des "Arabischen Frühlings" und der palästinensischen Frustrationen. Laut einem vertraulichen Bericht des israelischen UNO-Botschafters Ron Prosor dürften 130 bis 140 Staaten für die UNO-Mitgliedschaft Palästinas votieren. (APA)